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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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entmutigt. »Also ist es Ihnen egal -«
    »Nicht doch, Anthea. Natürlich ist es mir nicht egal.« Es war ihm alles andere als egal. »Hören Sie, ich sage Ihnen, was ich tun werde. Ich rufe beim Bahnhof an, um herauszufinden, ob die Züge noch durchkommen. Wenn ja, werde ich versuchen hinzukommen, und dann suche ich mir vor Ort jemanden, der mich das letzte Stück da rausbringt. Aber ich kann nichts versprechen.«
    »Um diese Jahreszeit bleibt der Schnee nie sehr lang liegen, Jon. Es ist zu früh. Der Boden ist nicht kalt genug. Bis morgen ist er wieder weg.«
    Jon lächelte ironisch. »Es ist heute, nicht morgen, Anthea. Also gut, ich tue, was ich kann.«
    Die Züge fuhren. Noch. Aber es war schon Nachmittag, als er schließlich Colchester erreichte, und dort blieb der Zug stehen. Dutzende von verstimmten Fahrgästen mußten hinaus in den Schnee. Als Jon endlich die Spitze der Schlange erreicht hatte, waren keine Taxis mehr zu sehen. Fröstelnd schulterte er seine Segeltuch-Reisetasche und sah sich um. Wenn er überhaupt ein Taxi fand, würde er einen Taxifahrer mit dem Mut eines Verrückten brauchen, denn ein anderer würde ihn nicht hinaus zur Küste fahren. Er warf einen Blick auf die Telefonzelle. Sollte er Anthea anrufen und ihr sagen, wie weit er gekommen war? Ein weiterer Blick auf die Schlange von Menschen, die bereits vor dem Telefon warteten, ließ ihn sich anders entscheiden.
    Der Taxifahrer, der ihn schließlich mitnahm, war eine größere Hilfe, als er zu hoffen gewagt hatte. Nachdem er zusammen mit Jon dessen Karte studiert hatte, sah er ihn an und lächelte. »Die Hauptstraßen sind inzwischen geräumt, Kumpel. Ich kann Sie ziemlich nah hinbringen.« Er warf einen Blick über die Lehne seines Sitzes, auf Jons Schuhe. »Wollen Sie kurz haltmachen und sich ein Paar Gummistiefel besorgen, bevor wir losfahren?«
    Jon grinste. »Klingt nach einem guten Rat.«
    Er kaufte Stiefel, eine Taschenlampe, eine kleine Flasche Whisky und einen langen Wollschal, während sein Fahrer im Halteverbot wartete (»Kann das Verbotsschild nicht sehen, bei dem ganzen Schnee.«), dann stieg er neben ihm ein.
    »Wie ein Polarforscher.« Der Mann grinste wieder.
    Jon lachte. »Ich bin gerade erst aus den Staaten zurückgekommen. Da war es auch nicht viel besser.«
    »Aber die kommen klar, stimmt‘s?« Der Fahrer fuhr los. »Hier in diesem verflixten Land bricht alles zusammen, wenn es erst mal eine Stunde geschneit hat. Mir reicht‘s auch. Schätze, ich verdrücke mich auch nach Hause, wenn ich Sie hingebracht habe.«
    »Wenn Sie mich hinbringen.«
    »Ich bringe Sie bis zum Black Swan an der Hauptstraße. Da können wir dann immer noch aufgeben. Vielleicht bringt Sie ein Farmer das letzte Stück. Mit ihren Traktoren kommen die überall durch.«
    Ein tröstlicher Gedanke. Der Wagen fuhr rutschend nach Osten. Die Scheibenwischer schoben mühsam Stücke aus festgefrorenem Schnee zur Seite, die die Sicht behinderten. Jon fröstelte. Er war in Versuchung, die Whiskyflasche aufzumachen, aber er hielt es für unfair, allein zu trinken, und er wollte dem Fahrer nichts anbieten, jedenfalls nicht, solange er noch fuhr.
    Hin und wieder näherte sich ihnen durch das starke Schneegestöber ein schwaches Paar Scheinwerfer, fuhr an ihnen vorbei und verschwand wieder. Der Fahrer saß weit über das Lenkrad gebeugt und starrte nach vorn.
    »Es wird immer schlimmer, was?« meinte Jon schließlich besorgt:
    »Da könnten Sie recht haben.« Der Wagen brach mit flatternden Vorderrädern kurz zur Seite aus, und der Fahrer riß den Lenker herum. »Aber wir sind fast da. Kann nicht mehr weit sein.«
    »Denken Sie, wir sollten anhalten?«
    »Nicht hier. Nein. Pete Cutler gibt nicht auf, wenn ein anständiger Pub in Riechweite ist!« Die breiten Schultern zuckten, während er in sich hineinlachte. »Wir erfrieren, wenn wir hier anhalten, Kumpel. Ich schätze, es sind noch zwei Meilen. œ Jawohl!« Er stieß plötzlich einen triumphierenden Schrei aus, als sich vor ihnen ein Wegweiser abzeichnete und wieder verschwand. »Nur Mut. Wir schaffen es.«
    Die Art, wie Pete das Taxi abschloß und ihm in den langen, niedrigen, rosa gestrichenen Pub folgte, gab Jon das Gefühl, daß der Fahrer nicht beabsichtigte, umzukehren und zurück nach Colchester zu fahren. Jon hatte recht. »Ich rufe die Zentrale an und sage Bescheid, daß ich über Nacht hier im alten Schwarzen Schwan meine Zelte aufschlage. Für mich eine Halbe Dunkles.« Augenzwinkernd verschwand er

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