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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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formen, und legten Decken darauf. Pete trug Alison die Treppe hinunter und legte sie draußen vor der Tür auf die Trage. Sie wickelten sie in zwei weitere Decken, dann hoben Jon und Pete sie hoch. »Es funktioniert.« Jon lächelte Kate an.
    Sie wollte gerade die Tür zumachen, als ihr etwas einfiel. Vor der Tür zum Wohnzimmer zögerte sie einen Moment lang. Dahinter war Bill, aber auch die Notizen für ihr Buch. Sie konnte sie nicht den Fluten überlassen. Bill würde das verstehen. Sie nahm all ihren Mut zusammen, öffnete die Tür und spähte herum. Nichts im Zimmer hatte sich verändert. Der Geruch von Erbrochenem war durchdringend. So schnell sie konnte, lief sie zum Schreibtisch. Sie packte ihre Notizen, die Disketten und den Gedichtband und stopfte alles in die Innentaschen ihrer Regenhaut. Sie sah sich ein letztes Mal um, dann ging sie zurück zur Tür. Beim Sofa blieb sie stehen. »Mach‘s gut, Bill. Gott mit dir.« Ihre Stimme klang seltsam in dem stillen Zimmer.
    Sie wirbelte herum, lief hinaus und machte die Tür hinter sich zu. Nachdem sie auch die Haustür zugeknallt hatte, rannte sie den anderen hinterher, die bereits im Wald verschwanden. Im Cottage war die Stille plötzlich hörbar.
    Ein Duft von Moschus schwebte langsam die Treppe hinunter, durch die leeren Zimmer.

LXVIII
    »Ma, ruh dich mal aus. Ich bleibe bei ihm.« Greg legte seiner Mutter die Hand auf die Schulter. Roger schlief, sein Atem kam in rauhen, rasselnden Stößen.
    Diana schüttelte den Kopf. »Ich bleibe hier, Greg.« Sie sah durch ihre Tränen zu ihm auf. »Es könnte jetzt jeden Moment soweit sein.«
    Greg biß sich auf die Lippe. Schweigend kniete er sich neben sie, ohne den Schmerz zu beachten, der von seinem Fuß durch jeden Nerv seines Körpers schoß. »Das ist es, was er wollte. Zuhause sein«, wiederholte er leise.
    »Ich weiß.« Sie legte einen Moment lang den Kopf auf die Brust ihres Mannes.
    Roger schlug die Augen auf. »Ich bin noch da«, flüsterte er. »Ich versuche, nachzudenken -« er hielt inne, kaum in der Lage zu sprechen. »Letzte Worte -«
    »Wie war‘s mit: Leck mich am Arsch, Marcus, ich komme, und dann geht‘s dir an den Kragen«, sagte Greg bitter.
    »Greg!« Diana war entsetzt.
    »Nein. Er hat recht«, flüsterte Roger. »Es gibt mir œ ein Ziel.« Seine Augen schlossen sich, und mehrere Sekunden lang rang er um Atem.
    »Still jetzt, Liebling.« Diana legte ihm die Hand auf die Stirn. »Schon deine Kräfte.«
    »Wofür?« Der grimmige Humor war wieder da. »Kraft werde ich nicht brauchen œ da, wo ich hingehe.« Er schaffte ein schwaches Lächeln.
    »Richtig so. Gib‘s ihm, Dad.« Greg hielt die Hand seines Vaters ganz fest.
    Um sie herum wurde das Zimmer kälter. Diana zitterte. Die Kerze auf dem Tisch neben dem Bett, die schon weit heruntergebrannt war, flackerte heftig.
    »Greg.« Roger machte wieder die Augen auf. »Hol die Jungs von der Archäologie. Sie sollen dieses Grab umdrehen. Jeden Zentimeter. Findet raus, was dieser Mistkerl verbergen will, und erzählt es der ganzen Welt.«
    Wieder schien ein Windstoß durch das Zimmer zu wehen. Die Kerze flackerte wieder und ging dann aus, zurück blieb eine Rauchfahne.
    Diana stieß leise einen kummervollen Schrei aus.
    »Das gefällt ihm nicht!« Rogers Lachen war mehr ein Krächzen. »Er will, daß dieses Grab ein Geheimnis bleibt. Es ist an dir, Greg. Alles ist jetzt an dir -« Seine Stimme verebbte. Im schwachen Licht, das durch das Fenster flimmerte, bestand das Zimmer ganz aus Schatten.
    Einen Moment lang war die Stille so vollkommen, daß Greg ängstlich um sich blickte. Es war, als sehe er das Zimmer durch eine Glasscheibe. Ohne verstanden zu haben, was geschehen war, hielt er weiter die Hand seines Vaters umklammert, dann wurde ihm plötzlich klar, woher die Stille kam. Rogers rauhes Atmen hatte aufgehört. Er hielt seine Tränen zurück und bückte sich, um die kalte Hand in seiner zu küssen. »Ma -«
    »Ich weiß.« Sie schluchzte leise vor sich hin. »Er ist tot. Oh, Greg -«
    Beide bewegten sich lange Zeit nicht, dann stand Greg langsam und unter Schmerzen auf. Er legte den Arm um Dianas Schultern. »Komm rüber ins Warme. Ich mach‘ dir einen Tee.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich will ihn nicht allein lassen -«
    »Ihm passiert nichts. Du mußt mitkommen. Es ist so kalt hier drin -«
    Er half ihr auf. Sie blieben einen Moment lang stehen und sahen beide hinunter auf das Gesicht seines Vaters, das jetzt entspannt war und so jung und

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