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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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dieses Zimmers zeigte nach Norden. Aber es war ebenfalls geschlossen und, nach den dichten Spinnweben um den Fenstergriff zu urteilen, seit langem nicht mehr geöffnet worden.
    Langsam musterte sie die Wände und suchte nach den verräterischen Zeichen einer Verfärbung der Tapete. Winzige zitronengelbe Blumen auf braungrünen Stengeln tollten ohne ein Zeichen von Feuchtigkeit über die unebenen Wände und zwischen den Eichenbalken hindurch.
    Nachdem sie das Licht ausgemacht hatte, ging sie wieder nach unten, schnuppernd. Der Geruch war noch immer da. Ein süßlicher, kalter Geruch wie von einem frisch umgegrabenen Blumenbeet nach dem Regen. Mit einem Schulterzucken ging sie zurück ins Wohnzimmer, drehte die Kassette um, drückte auf den Knopf und ließ sich in den Lehnstuhl beim Feuer fallen.
    Als sie aufwachte, war In the South zu Ende, das Feuer aus und das Zimmer eiskalt. Ihr Kopf schmerzte, und einen Augenblick lang war sie zu steif, um sich zu bewegen. Mit einem Stöhnen zwang sie sich aufzustehen und langte nach der Tischlampe. Sie schaltete sie aus und machte sich auf den Weg zur Tür. Ein warmes Bett und ein Berg weicher Kissen zum Reinkuscheln, das war es, was sie jetzt brauchte. In der Tür drehte sie sich noch einmal um und musterte das Zimmer, bevor sie den Lichtschalter an der Wand betätigte und das Zimmer in Dunkelheit tauchte. Erst als sie im Badezimmer nach der Zahnbürste griff, wurde ihr bewußt, daß sie nichts zu Abend gegessen hatte. Zwei Whisky waren nicht gerade die nahrhafteste Art, den Abend zu beschließen. Vielleicht erklärte das ihre rasenden Kopfschmerzen. Aber sie hatte jetzt keinen Hunger. Dann merkte sie, daß sie vergessen hatte, den Boiler einzuschalten, so daß sie jetzt nicht genug heißes Wasser für ein Bad hatte. Mit einem Seufzer beugte sie sich über das Waschbecken und spritzte sich etwas lauwarmes Wasser ins Gesicht. Sie wollte nur noch schlafen. Alles andere konnte bis zum Morgen warten. Eine der Freuden des Alleinlebens war, daß man stets tun konnte, was einem gerade gefiel. Kochen oder nicht kochen. Sich waschen oder nicht. Schlafen, wann man wollte. Und jetzt wollte sie nichts weiter als genau das. Sie setzte den Fuß auf die unterste Stufe der Treppe, da sah sie oben eine Bewegung. Wie angewurzelt blieb sie stehen. »Ist da jemand?« In der Stille klang ihre Stimme dünn und verängstigt. Keine Antwort.
    »Wer ist da?« Ihre Müdigkeit war verschwunden. Nur das Prasseln des Regens an den Fenstern antwortete ihr, als eine Bö vom Meer heranraste.
    »Mein Gott, jetzt habe ich schon Halluzinationen«, murmelte sie. Müde Augen. Zu viel Computer. Das war die logische Erklärung dafür. Dennoch forderte es ihr eine gewaltige Willensanstrengung ab, sich die Treppe hoch zu zwingen. Oben angekommen, schaltete sie sofort alle Lichter an. Alles war leer, die Fenster geschlossen. Nur der Regen lief an den Fensterscheiben herunter, als sie die Vorhänge aufzog und hinaus in die Finsternis starrte.
    Sie zog sich so schnell aus, wie sie konnte, und schlüpfte unter die Decke. Das Licht auf dem Flur ließ sie an, als Schutz gegen die Dunkelheit. Eines der Kissen an die Brust gedrückt, lag sie hellwach da und schaute angespannt zur Tür hinaus, auf das kleine Stück Wand œ in dunklem Suffolk-Pink gestrichen und durch einen fahlen Eichenbalken zweigeteilt -, das sie vom Bett aus sehen konnte. Und sie lauschte dem Regen.

XVII
    »Bist du wach, Sue?« Alison starrte durch die Dunkelheit zu dem Bett an der Wand gegenüber, in dem ihre Freundin lag.
    »Ja.«
    Die letzten zwei Stunden hatten sie ständig geflüstert und gekichert, so daß Sue Farnboroughs Mutter, Cissy, zweimal hereingekommen war und sie entnervt aufgefordert hatte, endlich zu schlafen. Jetzt war sie selbst zu Bett gegangen, und das Haus lag im Dunkeln. Die Phasen des Schweigens zwischen den beiden Mädchen waren länger und länger geworden. »Denkst du, ich sollte es ihnen zu Hause sagen?«
    »Was am Grab passiert ist?«
    »Sicher, was sonst.«
    »Nein. Dann mischen sie sich bloß ein. Eltern mischen sich immer ein. Willst du wieder hingehen?«
    Alison zögerte nur eine Sekunde. »Natürlich gehe ich wieder hin. Ich beende die Ausgrabung, keine Frage.«
    »Ganz allein?«
    »Du könntest mitkommen.« Alisons Stimme klang erwartungsvoll.
    »Kommt nicht in Frage. Das ist nichts für mich.« Sue blieb unnachgiebig.
    »Ach, komm schon. Es gefällt dir bestimmt. Es macht Spaß.«
    »Es klingt aber nicht besonders

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