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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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die Frau, die Sie gesehen haben, ein Geist. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß es hier spukt. Hier ist das Böse zu Hause. Die Einheimischen halten sich von hier fern.«
    Ein Verdacht beschlich sie: Sagte er das etwa alles, um ihr Angst zu machen? Damit sie fortging von hier? Sie lachte. »Als Autorin von Geschichtsbüchern lebe ich sehr gern mit Geistern.«
    »Hoffentlich fordern Sie damit nicht Ihr Schicksal heraus«, sagte er. Er warf sich wieder in den Sessel, schlug seine Beine übereinander, so daß sein linker Knöchel auf dem rechten Knie lag, und seufzte. »Nach einer Weile habe ich es hier immer als sehr bedrückend empfunden. Meine Bilder haben sich dann verwandelt. Sie sind immer wütender geworden. Während ich von Natur aus eher ein sonniges Gemüt habe.« Sie beobachtete ihn aufmerksam.
    »Im Farmhaus male ich anders, oberflächlicher«, fuhr er nachdenklich fort. »Wenn ich je ein Meisterwerk malen sollte, dann in diesem Cottage.« Einen Moment lang war es, als spräche er mit sich selbst. Er hatte vergessen, daß sie da war; vergessen, daß er ihr Angst machen wollte. Dann erinnerte er sich wieder an ihre Gegenwart und blickte sie an. »Kunst, so scheint es, ist kein Geschäft.«
    Direkt aus der Hüfte. Sie schluckte es, ohne mit der Wimper zu zucken. »Heißt das, daß Sie Ihre Bilder nicht verkaufen?«
    »Nein.«
    In dieser Antwort lag tiefe Verachtung. Es folgte ein langes Schweigen. Sie fragte nicht weiter nach. Sie studierte sein Gesicht, während er mißmutig in die Flammen starrte, und bemerkte plötzlich die Linien des Überdrusses um seine Augen. Greg Lindsey war ein unglücklicher Mann. Dieser Augenblick des Verstehens brachte sie zum Verstummen. Die Stille zog sich unangenehm lang hin, als sie nun auch in das flackernde Feuer starrte.
    Ein lautes Geräusch von oben brachte sie beide auf die Beine. »O verdammt! Was war das?« Greg setzte sein Glas ab.
    Sie schluckte. Einen Krach wie diesen hatte sie schon einmal gehört, und ihr Suchen hatte nichts ergeben. »Der Wind muß die Tür zugeschlagen haben«, sagte sie endlich. »Ich sehe lieber mal nach.«
    Sie bewegte sich nicht. Das Zimmer schien plötzlich warm und sicher. Sie wollte nicht die Treppe hinaufgehen.
    Der Lärm schien Greg aus seiner Selbstbetrachtung gerissen zu haben. Er sah sie an, bemerkte ihr blasses Gesicht, ihre verängstigten Augen und war überrascht von seiner Reaktion. Er hätte sich freuen sollen, daß sie Angst hatte, aber seine einstudierte Feindseligkeit geriet ins Wanken, und eine Sekunde lang spürte er eine Welle von Beschützerinstinkt in sich aufsteigen. »Ich sehe nach.«
    Er nahm zwei Stufen auf einmal und schaute zuerst in den Abstellraum. Das Zimmer war leer bis auf ihre Koffer und Kartons und bis auf seine Bilder, die hinter der Tür standen, wo er sie zurückgelassen hatte. Sie standen noch mit der bemalten Seite zur Wand. Er bückte sich, um das Zimmer zu verlassen, und schaltete das Licht im Schlafzimmer an. Nach der nüchtern geschäftsmäßigen Atmosphäre unten im Wohnzimmer mit dem Computer und den Büchern erschreckte ihn das Schlafzimmer œ sein Schlafzimmer œ durch die Aura ungewohnter Femininität. Er blickte sich um. Alles schien an seinem Platz zu sein. Beide Türen waren offen gewesen. Nichts schien umgefallen zu sein. Er betrachtete das Bild an der Wand. Es war von ihm. Untypisch, weil es so schön war, mit den Glockenblumen im Wald von Redall. Er setzte einen finsteren Blick auf. Seine Mutter mußte es herübergebracht haben, denn bis jetzt hatte es immer im Gästezimmer des Farmhauses gehangen.
    Nachdem er sich versichert hatte, daß kein Grund für den Krach festzustellen war, ließ er seinen Blick noch einmal, langsamer, durch das Schlafzimmer wandern, bemerkte ihren über das Bett geworfenen Frotteebademantel, davor ihre Hausschuhe, beides in hellen Farben, die sicher gut zu ihrem Haar paßten. Einen Moment lang stellte er sie sich in dem Mantel vor. Auf der Kommode lag ein Haufen silberner Armreifen œ er erinnerte sich, daß sie sie am Tag ihrer Ankunft getragen hatte œ und daneben stand ein Glas mit Winterblumen, die sie im Wald gepflückt haben mußte. Der Naturforscher in ihm erkannte Immergrün, samtig rotes Labkraut und einen Zweig Seidelbast, den sie dort gefunden haben mußte, wo früher der Garten des Cottage war. Er setzte seine schnelle Prüfung fort und sah die kleine Sammlung Kosmetika. Bisher hatte sie offenbar kein Makeup getragen, aber offensichtlich war sie durchaus

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