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Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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wieder an?
    Charlotte hingegen legte auch in meiner Anwesenheit am Telefon los, als sollte sie Hamlet vorsprechen. Sie sprang auf, modulierte, gestikulierte und stöhnte, gurrte, brüllte, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Ihre Wangen waren nach den ersten Tagen als Lilli Himmel ständig so gut durchblutet, dass ihr rosenfarbenes Rouge völlig in den Hintergrund geriet. Ihr neuer Job als PSO tat ihr gut, verdammt gut. Und wenn sie eine kurze Pause machte, vergaß sie nie, sich frisch zu parfümieren und neuen Lipgloss aufzutragen.
    Lipgloss! Für ein Telefonat!
    Ich grinste in mich hinein und balancierte den Laptop auf meiner Bauchkuppe. Ich war da heikler. Am liebsten waren mir im Moment die Kunden, die sich selbst gerne reden hörten und die einfach ihrer Phantasie freien Lauf ließen, während ich nachdenklich die Krümel in den Polsterritzen betrachten konnte. Oder meinen Bauch. Seit ein paar Tagen zog sich ein brauner Streifen über ihn, der ihn nicht nur vom Umfang her wirken ließ wie die Kruppe eines Pferdes.
    »Das ist ein ganz normales Pigmentphänomen der Schwangerschaft«, beruhigte mich Charlotte. »Marissa fand das todschick und hat deswegen bei der Schwangeren-Aquagymnastik immer nur Bikinis getragen.«
    »Aquagymnastik, so so«, sagte ich und ignorierte ein Magenknurren. Es war schließlich schon fast zwei Uhr und mein erstes Mittagessen von halb zwölf längst verdaut. Ich hatte das Mittel gefunden, das bei mir gegen Schwangerschaftsübelkeit half: essen. Und zwar: immer. Sobald mein Magen nur noch halb voll war, wurde mir übel, und ich musste mir dringend Gedanken machen über die nächste Ladung deftiger Hausmannskost – mit einem Mädchenessen wie Suppe, Salat oder einem Chop Suey konnte ich das Kraftwerk, das in mir arbeitete, nicht austricksen. Da wurde Tag und Nacht gearbeitet, ausgebaut, Leitungen gelegt, Strukturen gebildet, Ohren, Nasen, Fingernägel, alles, was ein Mensch so brauchte. Und wann würde mein Bauchnabel eigentlich anfangen, so lustig vorzustehen? Und wann würde mir auch die letzte von Felix’ Jogginghosen zu eng werden, auch wenn ich den Bund sowieso unter dem Bauch trug?
    »Hier, Umstandsmode, Marissa hat das nie getragen, schönen Gruß«, hatte Charlotte mir eine große Tüte in die Hand gedrückt. »Warum sind Schwangere eigentlich immer so solidarisch miteinander? Wahrscheinlich weil ihr wisst, dass ihr in einen ganz schönen Schlamassel geraten seid?«
    Ich hatte erst dankbar angenommen, aber Marissa musste in etwa Charlottes Statur haben. Was sollte ich mit schicken, engen Umstandsröcken und zu langen und zu engen Jeans, auch wenn der Bund geschnitten war wie ein elastischer Nierenschoner? Also hatte ich mir nur zwei schwarze T -Shirts herausgefischt, die vorne eine Beule hatten, in die eine Wassermelone gepasst hätte, aber meine Erscheinung nicht so wirklich nach vorne brachten. Zu dumm. Denn jetzt wurde es brenzlig.
    »Ach du grüne Kacke«, sagte ich, schlagartig aus meinem dösigen Zustand gerissen. Ich klickte eine E -Mail weg.
    »Das kann nicht sein. Mein Vater kommt.«
    Charlotte hatte meinen Vater schon ein paarmal getroffen, und sie wusste auch, dass er nichts wusste. Deshalb sprang sie mir sofort bei: »Hoppla! Vielleicht besser, wenn ich ihn vom Bahnhof abhole, oder? Wann kommt er denn?«
    »Jetzt.«
    »Oh«, sagte Charlotte und wurde noch eine Spur roter, »dann laufe ich besser mal zu Marie und fange ihn ab.«
    Zu spät.
    »Wie heißen Sie? Können Sie das buchstabieren?«
    Der ärgerliche Bass meines Vaters reichte bis in unsere Hausmeisterwohnung, und Maries Nachnamen wollte er sich ganz besonders sorgfältig notieren, hielt er die Arme doch offensichtlich für einen Boutiquenpiraten. Ich musste einschreiten, wenn ich nicht wollte, dass er sie einen Kopf kürzer machte. Unvorhergesehene territoriale Übergriffe brachten meinen Papa immer zur Weißglut.
    Charlotte lief voraus, um zu schlichten. »Herr Hanssen, wie nett, Sie …«, rief sie, schon im Hausgang. Aber mein Vater wollte mich.
    »Wo ist Heidi? Was ist mit meiner Tochter?«, hörte ich ihn, während ich mich so schnell wie möglich in den Laden quälte.
    »Hier bin ich, Papa!«, antwortete ich vom Türrahmen aus.
    »Was ist – bist du krank?«, fuhr mein Vater herum. Eigentlich war er sonst eher desinteressiert an der Optik seiner Gegenüber. Ihm wäre nicht aufgefallen, wenn meine Mutter beim Frühstückstisch plötzlich eine Marilyn-Monroe-Perücke getragen hätte. Aber jetzt war

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