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Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)

Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)

Titel: Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kutzmutz
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nationalsozialistisch geführten Wiener Magistrat ausgestellten »Heimatschein«, auf dem das Kürzel »I. K. G.« für »Israelitische Kultusgemeinde« vermerkt war. Drach machte den zuständigen Beamten klar, dass »I. K. G.« als »im katholischen Glauben« zu lesen sei – und kam damit durch. Die Notwendigkeit zu fliehen war damit aber keineswegs entfallen, denn in der Folge war es die Einberufung in die Wehrmacht, der sich Drach bis zum Ende des Krieges zu entziehen hatte.
    1947 kehrte er nach Mödling zurück. Dort nahm er alsbald seine Tätigkeit als Rechtsanwalt damit wieder auf, die Nazimieter, die sich noch in seinem Elternhaus, dem Drach-Hof, befanden, herauszuklagen.
    Wie sehr Albert Drach in der Zeit der Verfolgung und danach die Literatur und das Schreiben – oft wohl auch nur den Gedanken daran – benötigte, um nicht unterzugehen, ist in seinem in den späten Vierzigerjahren verfassten Roman Das Beileid nachzulesen, der begreiflich macht, dass die Fortführung seiner literarischen Arbeit damals schlechthin gleichbedeutend mit der Behauptung seiner Existenz gewesen sein muss.
    Die kurze Betrachtung von Drachs Lebensweg macht leicht fasslich, warum und wie sehr ihm die Ausübung staatlicher Herrschaft suspekt erscheinen musste. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Albert Drach als Rechtsanwalt und Schriftsteller mit der Justiz – dem zentralen Instrument staatlicher Machtausübung – zeitlebens im Clinch lag. In jedem Gerichtsverfahren gewinnt die Judikative in Form des ihm vorsitzenden Richters mehr oder weniger ansehnliche Gestalt, und diese Gestalten sind es, denen sich Albert Drach mit besonders boshafter Aufmerksamkeit widmet. »Die richterliche Unabhängigkeit von Takt, Würde, Einsicht und Erbarmen«, so Karl Kraus, ist auch ein Thema des Romans Untersuchung an Mädeln . Mitte der Sechzigerjahre geschrieben und 1971 erstmals im Rahmen einer unvollständig gebliebenen Werkausgabe veröffentlicht, ist dieser Roman ein Lehrstück über Sittlichkeit und Kriminalität, das nichts an Aktualität verloren hat.
    Stella Blumentrost und Esmaralda Nepalek werden beschuldigt, den Stechviehhändler Josef Thugut, der sie als Anhalterinnen in seinem Auto mitgenommen und sodann vergewaltigt hat, mit dem Wagenheber erschlagen zu haben. Die Leiche Thuguts wird nicht gefunden, und es sprechen bestimmte Anhaltspunkte für ein Überleben Thuguts, der die allgemeine Annahme seines Todes genützt haben könnte, um den Gläubigern seines bankrotten Betriebes zu entgehen. Dennoch stehen die beiden jungen Frauen von Beginn an unter Mordverdacht, denn der zuständige Untersuchungsrichter, Landesgerichtsrat Dr. Baldur Mausgrub, Verfasser einer Schrift über Die weibliche Kriminalität im Lichte des Mangels an Kraft und Wagemut , hält die Absenz der Leiche für eine Folge weiblicher Hinterlist, die eben wegen des weiblichen Mangels an Kraft und Wagemut auch bei den beiden Verdächtigten besonders ausgeprägt zu finden sei.
    Schon der Titel Untersuchung an Mädeln spielt auf die Zweideutigkeit des prozessualen Unterfangens an, denn die Untersuchung eines angeblichen Mordes, dessen die beiden jungen weiblichen Hauptfiguren bezichtigt werden, verkehrt sich von Beginn an in eine Untersuchung an diesen »Mädeln« selbst, die so obszön ist, wie der Titel annehmen lässt.
    Und das nicht zuletzt wegen des Richters, der die Ermittlungen leitet. Dr. Mausgrub lässt ein umfassendes Protokoll über das Vorleben der »Mädeln« anfertigen, welches den Nachweis ihrer Täterschaft im Sinne des Schuldvorwurfs erbringen soll. Um die Einlassung der jungen Frauen zu entkräften, sie hätten sich gegen Thugut wegen der erfolgten Vergewaltigung zur Wehr gesetzt, wird ihnen vorgehalten, die Verletzung ihrer »Frauenehre« käme als Beweggrund für den Niederschlag nicht in Frage, da sie diese längst vorher verloren hätten, nämlich durch ihre vielfachen nichtehelichen Beziehungen zu Männern. Anzahl und Verlauf dieser nichtehelichen Beziehungen listet das Protokoll penibel auf, um die ebenso hanebüchene wie geläufige These von der »nicht mehr bestehenden Frauenehre« zu stützen. Jeder Kontakt der »Mädeln« zu einem Mann wird somit zum Beweismittel für den angeblich von ihnen begangenen Mord. Kriminalisiert wird also zuerst die geschlechtliche Freiheit der Frauen, dann alles Weibliche schlechthin:
    »Der Untersuchungsrichter Baldur Mausgrub aber sagte sich, dass am Anfang Gott den Menschen und sein Weib geschaffen habe, also

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