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Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)

Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition)

Titel: Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kutzmutz
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das, was man weiß, immerzu entzieht. Mit Didion als Mentorin bleibt einem nur, sich das eigene Denken genau anzusehen. Um dann Sätze zu bilden. Und zu zweifeln. Und mit den Zweifeln Sätze zu bilden. Und zu hoffen, dass die Sätze tragen.

Aufgabe
    Suchen Sie sich ein Bild (beispielsweise eine Person wartend am Strand). Entwerfen Sie auf der Grundlage des Bildes eine Szene und legen Sie das Geschriebene und das Bild anschließend zur Seite. Entfernen Sie in Gedanken aus diesem Bild alle Personen. Entfernen Sie alle unbelebten Gegenstände. Entfernen Sie jetzt auch die belebten Dinge, die gesamte Natur. Entfernen Sie alles und tun Sie das nacheinander, so dass sich bei jedem Schritt ein neues Bild ergibt. Betrachten Sie dann die entstehende Leere. Versuchen Sie zu beschreiben, was Sie sehen. Seien Sie so ausführlich wie möglich. Legen Sie daraufhin auch das beiseite. Versuchen Sie anschließend, das Bild, das Sie zu Beginn gesehen haben, aus der Erinnerung schreibend zu rekonstruieren. Entwerfen Sie die Szene erneut. Wenn Sie daran gescheitert sind, fangen Sie erneut an.

PETER GLASER
    Einzelheiten
    Nicholson Baker: Rolltreppe oder Die Herkunft der Dinge [1988]
    In love, dear love
My love.
Detail is all.
    Walter Carlos Williams

I.
    Wenn jemand schreiben möchte, und zwar Literatur, kann man ihm einen einfachen Rat geben: Lesen und schreiben. Einfach an dem Rat ist vor allem, ihn zu geben; aber wer es sich einfach machen will, der fängt ohnehin nicht zu schreiben an.
    Der einfachere Teil des einfachen Rats ist, Schreiben zu lernen, indem man schreibt. Anfangs geht es dabei nicht in erster Linie um stilistische oder formale Gewandtheit. Das sind die Dinge, mit denen man später glänzen kann und aber natürlich gern gleich glänzen würde. Es geht anfangs darum, ausdauernd zu werden; um ein beharrliches, hungriges Interesse an allem, und dass das Schreiben damit beginnt, dass man genau hinschaut, nach innen und nach außen. Nicht einfach nur hinschaut, sondern beobachtet. Etwas nicht einfach sieht, sondern es auch denkt. Und nicht nur einen Blick auf die Dinge wirft, sondern auch den zweiten, und dass einem dann manchmal die offenen Augen aufgehen.
    Schauen kann angenehm sein, sich von der Welt gestreift zu fühlen wie von einem Zobelpinsel, aber ein Gefühl ist noch gar nichts, wenn man versuchen will zu schreiben. Um das Schreiben zu lernen, muss man auf die Annehmlichkeit des unschuldigen, ungestörten Gefühlsbepinseltwerdens verzichten und sich darum bemühen, die Dinge und auch die Gefühlsdinge dingfest zu machen, erst überhaupt und später so, wie nur man selbst das kann.
    Am meisten lernt man am Anfang, indem man imitiert, etwa so wie Frühmenschen wahrscheinlich Bären beobachtet und imitiert haben, um den Trick mit dem Honig herauszukriegen. Man sollte sich im Weiteren bemühen, zunehmend selbstverständlich und eingehend auf möglichst Vieles mit Sprache zu reagieren und dann der Welt von sich – der Welt – zu erzählen. Es dauert, dann kann man es. Oft dauert es Jahre, deshalb ist ein Durchhaltevermögen wichtig, das spürt, dass es noch über sich hinausgehen kann. Wenn sich zum ersten Mal eine Geläufigkeit einstellt beim Schreiben und man weiß: Ich kann es, ist man kräftig genug, diejenigen Dinge in Angriff zu nehmen, die am Schreiben etwas schwieriger sind. Der schwierigere Teil des einfachen Rats ist, Schreiben zu lernen, indem man liest. Denn was soll man lesen, das keine Zeitvergeudung ist: Rolltreppe oder Die Herkunft der Dinge von Nicholson Baker, in der hervorragenden deutschen Übersetzung von Eike Schönfeld.
    Es gibt große Romane, deren nacherzählbare Handlung in eine Nussschale passt. Ein alter Mann fährt aufs Meer und fängt den Fisch seines Lebens, auf der Rückfahrt fressen ihm Haie den Fisch wieder weg. Der junge Stechlin heiratet und Dubslav, der alte, stirbt. Etcetera. Ich kenne allerdings keine Romanhandlung, die so reduziert, so molekular ist wie die der Rolltreppe . Innerhalb von zwei Tagen reißen Howie, einem amerikanischen Büroangestellten, erst das linke, dann das rechte Schuhband. Howie versucht während einer Mittagspause herauszufinden, was mit seinem Leben los ist, dass so was passieren konnte.
    Und das soll Stoff für einen ganzen Roman liefern?

II.
    Problemlos. Denn Baker ist ein Beobachter par excellence, der eine beispielhaft geduldige Genauigkeit im Beschreiben entfaltet. Wie oft kann man Sätze in Büchern lesen, die sich anfühlen wie Styropor. Oder

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