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Erste Male

Erste Male

Titel: Erste Male Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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Stiefmutter Shelly passt.
    Schlussfolgerung: Armes reiches Italienermädchen, das gern Kindergrößen tragen würde – und allen, die ihr zuhören, darüber die Ohren vollheult oder über alles andere tratscht.
    Mein Zimmer: Wände von der Farbe eines mehrere Wochen alten blauen Flecks, weil Hope und ich mal versucht haben, das Quietschrosa, mit dem meine Eltern mein Kinderzimmer gestrichen haben, grau zu übermalen. Stapelweise Abzeichen, Urkunden und Pokale, die unbeachtet auf einem Regal in der Ecke einstauben. Mehrere Filmplakate »Moderner Klassiker« ( Sixteen Candles, Stand By Me, Say Anything ). Atemberaubendes Mosaik mit zwei lächelnden Freundinnen.
    Schlussfolgerung: Offensichtlich am Rande der Schizophrenie.
    Hopes (altes) Zimmer: Blumige Mädchentapete, von unzähligen Gemälden, Zeichnungen, Skizzen und unfertigen Arbeiten verdeckt. Gerahmter Schnappschuss eines kleinen Jungen mit Bürstenschnitt in Latzhosen, der mit Mühe ein schreiendes Baby mit flammend rotem Haar auf dem Arm hält; im Rahmen steckt eine Einladung zum Trauergottesdienst für Heath Allen Weaver. Ein kleines Bücherregal voller Kunstbände über Monet, Picasso, Warhol.
    Schlussfolgerung: Ihr neues Zimmer werde ich nie so gut kennen wie das alte.
    In Hys Seelenleben konnte ich bloß einen sehr beschränkten Blick werfen. Bis ihre Mutter die neue Stelle antritt, wohnt sie im Gästezimmer ihrer Tante, ihr Zimmer ist also eigentlich gar nicht ihr Zimmer. ( Gästezimmer ihrer Tante: Seite 12 aus dem Landhaus-Katalog – vom Rollkastenbett bis zu den Vorhanghaltern aus Messing, vom Bettvorleger bis zur Blumenvase mit frischen Lilien. Schlussfolgerung: Sie verdient anständig, hat aber wenig Zeit und Phantasie.)
    Hys einzige persönliche Besitztümer waren ein Sony-VAIO-Laptop und ein paar Fotos in Silberrahmen. Ich nahm eins in die Hand, auf dem Hy einen sehnigen Typen in Baggy Pants und weißem ärmellosem T-Shirt mit der Aufschrift WHY TOO KAY? umarmte. Y2K  – witzig. Das kurz geschorene Haar goldgelb gefärbt, damit es im Stroboskoplicht schön leuchtet. Tattoo den Arm hinauf: P L U R. Peace Love Unity Respect . Das Mantra der Raver.
    »Das ist Fly«, sagte sie mit ganz untypischer Begeisterungin der Stimme. »Raves sind scheiße, aber ich liebe ihn trotzdem. Kannst dir denken, dass meine Eltern nicht auf ihn stehen.«
    Konnte ich. Dann fiel mir auf, was sie gerade gesagt hatte: Eltern. Plural. Sie hatte doch gesagt, ihren Vater würde sie gar nicht kennen, deshalb hatte ich angenommen, sie lebte bloß mit ihrer Mutter zusammen. Vielleicht gab es ja einen Stiefvater. Aber ich wollte mich nicht im Gestrüpp ihrer Familienverhältnisse verheddern, also ließ ich es im Raum stehen.
    Auf einem anderen Foto trug Hy ein scharfes schwarzes Kleid und stand neben sechs weiteren Mädels in scharfen schwarzen Kleidern. Alle lüfteten die Röcke, um Bein zu zeigen. Hys Haarspitzen waren brombeerrot gefärbt, passend zum Lippenstift.
    Während ich Hy als möglichen Ersatz für Hope sehe, will sie durch mich offenbar eine ganze Clique ersetzen. Am Ende des Nachmittags war mir klar, wieso das Verbot von Handys und Pagern an der PHS sie so nervte: Sie muss mit einer Menge Freundinnen Kontakt halten. In drei Stunden piepte ihr Pager nicht weniger als zwölf Mal. (»Meine Peoples piepen mich an«, sagte sie jedes Mal.)
    »War es schlimm, deine Freundinnen zu verlassen?«, fragte ich nach dem achten Piep.
    »Nicht so sehr«, sagte sie achselzuckend. »Ist ja nicht für immer.«
    Da kam ich nicht mit. Das merkte sie offenbar, weil sie mir schnell erklärte, sie meine bloß, sie würde sie ja in den Ferien dauernd sehen.
    Hätte ich mir denken können. Sie hat Glück, dass sie noch so nah bei ihren Freundinnen wohnt. Wenn ich Hope besuchen könnte, würde ich ganz bestimmt nicht bei Hy rumhängen.
    »Willstn Red Bull?«, fragte sie. Themenwechsel.
    »Hä?«
    »Red Bull. Noch nie gehört?«
    »Mhm, nein.«
    »Wundert mich nicht. Hab mir grad erst ein paar Kisten aus der Stadt schicken lassen. Hätte ich mir denken können, dass man das Zeug in der Pineville Super-Foodtown nicht kriegt.«
    Aus dem letzten Satz klang so viel Ekel, dass ich wütend wurde. Offene Abscheu gegenüber Pineville durften nur Menschen ausdrücken, die schon ihr ganzes Leben hier festhingen – und nicht bloß schlappe zwei Monate.
    »Das ist ein Energydrink«, fuhr sie fort. »Brause mit ein bisschen Kick, aber ganz legal.«
    »Ich glaube, ich brauche keinen Kick, ich bin schon

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