Erste Male
fünfundzwanzig Minuten.
Schließlich platzte Dr. Hayden herein und kam gleich zur Sache.
»Also, Jessica, wo liegt das Problem?«
»Fangen wir mal damit an, weshalb ich hier bin. Ich habe meine Periode seit fünf Monaten nicht mehr gekriegt.«
»Aha. Jessica, ich werde dir ein paar delikate Fragen stellen, auf die ich Antworten brauche. Du kannst ganz sicher sein, dass deine Mutter nichts davon erfährt.«
»Ich bin in keiner Weise sexuell aktiv, wenn Sie das wissen wollen.«
»Ja, das wollte ich unter anderem wissen.«
Er sah sich meine Werte an. »Du bist sehr dünn. Kennst du den Begriff Female Athlete Triad ?«
Oh Mann! Sogar mein Hausarzt denkt, ich bin magersüchtig.
»Vielleicht isst du nicht genug und trainierst zu viel, und das trägt dazu bei, dass dein Zyklus ausbleibt, also …«
»Amenorrhoe«, sagte ich.
»Amenorrhoe«, wiederholte er, offenbar erstaunt, dass ich den medizinischen Fachbegriff kannte. »Was im Lauf der Zeit zu einem weiteren Problem führt …«
»Osteoporose.«
»Genau!« Bei dieser begeisterten Bestätigung kam er mir vor wie eine Mischung aus unserer Psychotante Brandi und Regis Philbis von Wer wird Millionär? bei der 32000-Dollar-Frage. »Du kennst diese Probleme also?«
»Ja, die kenne ich. Erstens grübele ich schon seit Monaten über meinen Zustand, und zweitens hat unser Lauftrainer uns schon ungefähr eine Milliarde Vorträge darüber gehalten. Aber das ist bestimmt nicht mein Problem, ich esse nämlich mehr als alle anderen Mädchen, die ich kenne.«
»Aha.«
»Und ich kotze es auch nicht gleich wieder aus, so wie die Mädchen, mit denen ich in der Schule jeden Tag zusammen esse. Allerdings essen die gar nicht erst. Die sitzen bloß rum und begeistern sich für magersüchtige Models in Magazinen.«
»Aha.«
»Ich hasse sie.«
»Wen? Die Models?«
»Nein, die Mädchen«, antwortete ich und pulte dabei an dem Pflaster, das mir die Arzthelferin gerade in die Armbeuge geklebt hatte. »Meine Freundinnen.«
Da saß ich nun also in meinem Papierhemdchen, aus dem mein Hintern rausguckte, und erzählte ihm, dass ich nicht mehr schlafen konnte, seit Hope weggezogen war. Und dass Hy und die Ahnungslosen im Village auf Shoppingtour waren. Dann enthüllte ich auch noch, wie besessen mein Vater meine Laufkarriere begleitet, wie sehr er mich unter Druck setzt, wie mich dieses Video »Anti-Darlings schmerzlichste Niederlagen, Teil eins« nervt. Als Nächstes kam das krankhafte Hochzeitsfieber meiner Mutter. Dann wurde ich noch persönlicher und erzählte, dass ich Scotty gefragt hatte, ob er mit mir zur Hochzeit geht, und dass sich jetzt Kelsey ins Bild drängte, und als Krönung verriet ich, dass ich keinen Freund habe, weil ich zu beschäftigt damit bin, einem Typen hinterherzuschmachten, der nicht mal meinen Namen weiß.
Aus irgendeinem Grund erzählte ich ihm nichts von der Sache mit Marcus Flutie. Wahrscheinlich dachte ich, dass das alles sowieso schon mehr als genug Information war. Ich wusste, dass es ganz schön hilflos, verzweifelt und verrückt war, seinem Hausarzt so das Herz auszuschütten. Aber er war eben der erste Erwachsene, der mich wie eine Erwachsene behandelte. Im Gegensatz zu meinen Eltern machte er meine Gefühle nicht klein, indem er sie mir auszureden versuchte. Er saß nur schweigend da und ließ mich reden, was ich sehr zu schätzen wusste. Es war total schräg.
Hinterher bat Dr. Hayden noch meine Mutter in sein Sprechzimmer, um unter vier Augen über mich zu sprechen, was ich sehr ärgerlich fand. Aber ich wusste ja, dass er keine Einzelheiten ausplaudern konnte, wegen der ärztlichenSchweigepflicht und so. Fünf Minuten später kam meine Mutter sehr angespannt lächelnd wieder raus.
»Gehen wir«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
»Mach’s gut, Jessica«, sagte Dr. Hayden. »Ich wünsche dir eine tolle Saison. Ich werde auf den Sportseiten nach deinem Namen suchen.«
Ich verabschiedete mich. Dann fragte ich meine Mutter, was er über mich gesagt hatte.
»Nichts.«
»Ist es nicht verboten, in meiner Abwesenheit über meine gesundheitlichen Probleme zu reden? Habe ich nicht das Recht, alles zu erfahren?«
Mom seufzte. »Erst wenn du achtzehn bist.«
»Du willst mir also erst erzählen, was mir fehlt, wenn ich achtzehn bin?«
»Nein, ich werde es dir sofort erzählen«, antwortete sie.
Ich muss sagen, darauf war ich echt gespannt. Ich hatte mir ja schon eine laienhafte Diagnose zurechtgelegt – dass mich nämlich meine
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