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Erste Male

Erste Male

Titel: Erste Male Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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jedem Schritt wurde ich entspannter, wurde alles leichter.
    Vielleicht musste deshalb auch was schiefgehen. Ich war bloß noch knapp zweihundert Meter von zu Hause weg, als es passierte: Ich stolperte über eine frei liegende Baumwurzel und vertrat mir das Sprunggelenk auf dem Bürgersteig. Genauso hatte ich es letztes Frühjahr machen wollen, nur war diesmal Dad nicht da, um mich mit dem Rad anzufahren.
    Oder mir zu helfen.
    Der Schmerz im rechten Knöchel kam sofort und heftig. Diesmal würde mir Wasserstoffperoxid sicher nicht helfen.
    Ich hüpfte tatsächlich auf einem Bein bis nach Hause und heulte dabei die ganze Zeit. Als ich durch die Hintertür ins Haus hoppelte, rief ich um Hilfe. Meine Eltern stolperten die Treppe runter und drehten beinahe durch, als sie mich auf dem Küchenboden liegen sahen, den Knöchel geschwollen wie ein Luftballon. Sie dachten, ich wäre entführt und verprügelt worden oder so. Als ich ihnen unter Tränen erklärte, dass ich mitten in der Nacht rausgeschlichen war, um allein zu laufen, da drehten sie richtig durch.
    Sie fuhren mit mir in die Notaufnahme. Da kriegte ich ein fettes Schmerzmittel, nach dem ich das Gefühl hatte, durch Sirup zu laufen. Von den Röntgenaufnahmen oder dem Gipsverband weiß ich nicht mehr viel.
    Später, zu Hause, las mir Mom die ärztliche Diagnose Wort für Wort vor, sie hatte nämlich in der Notaufnahme alles mitgeschrieben: Ich habe mir sowohl das Schien- als auch das Wadenbeinköpfchen gebrochen, da, wo sie sich über dem Knöchel treffen. Das erfordert sechs Wochen komplette Ruhigstellung im Gipsverband, danach monatelange Physiotherapie, vielleicht sogar eine Operation, bis es völlig geheilt ist. Die Stabilität des Gelenks wird nie wieder so sein wie vorher.
    Das hat mir alles Mom erzählt, weil Dad nicht mehr mit mir spricht.
    Durch die Schlafzimmertür kann ich ihn allerdings hören, wie er schimpft und tobt und Mom vollquatscht. Wie kann man so achtlos sein? In diesem Schuljahr gucken sich die College-Trainer an, wem sie Sport-Stipendien geben! Sie hat alles versaut! Sie hätte ein Superstar werden können! Was für eine Talentverschwendung!
    Anscheinend ist mein Traum wahr geworden: Meine Laufkarriere ist zu Ende. Jetzt, wo es passiert ist, kann ich natürlich kaum fassen, dass ich mir das gewünscht habe.
    ELFTER
    Ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, dass meine Eltern es zu gefasst aufnahmen. Mom war viel zu still und um meine Gesundheit besorgt. Selbst Dads Geschimpfe war lange nicht so laut wie erwartet. Wie sich jetzt zeigt, haben sie bloß gewartet, bis die Wirkung meiner Mega-Schmerzmittel nachließ, um dann noch mal so richtig nachzutreten.
    Ich saß in meinem Zimmer und hörte den Soundtrack von Pretty in Pink , als es dreimal kurz und laut an der Türklopfte. Sie kamen herein, Dad wies mich an, die Anlage auszuschalten. Sie setzten sich aufs Bett und nahmen mich in die Zange. Moms Stirnfalte war tiefer als üblich. Dad hatte die Hände krampfhaft gefaltet, konnte seine Wut kaum im Zaum halten, und seine Glatze glänzte vor Schweiß.
    Das Verhör war lang und gnadenlos: Wie lange schleichst du schon nachts hinter unserem Rücken raus? Mit wem hast du dich getroffen? Wo wolltest du hin? Warum in Gottes Namen gehst du mitten in der Nacht laufen? Hat der Trainer dich nicht genug gefordert? Warum kriegen wir deine alten Freundinnen nicht mehr zu Gesicht? Was ist bloß los mit dir?
    Ich gab auf jede Frage eine ehrliche Antwort, denn das schien der Weg des geringsten Widerstandes. Aber das war nicht, was meine Eltern hören wollten. Rausschleichen, um einen Jungen zu treffen, das hätten sie verstanden. So was hatte Bethany auch gemacht. Oder um zu einem Rave zu gehen. Darüber hatten sie in der Asbury Park Press gelesen. Aber zum Laufen rausschleichen, weil ich nicht schlafen konnte – dafür fehlte ihnen jedes Verständnis. Also einen Monat Hausarrest. Das ist natürlich total sinnlos, weil ich sowieso nirgendwohin kann.
    Als sie raus waren, legte ich die CD wieder ein und wählte meinen Lieblingssong. »Please, Please, Please«. Ich sang die Worte Morrisseys mit – des Depri-Popstars für melancholische Musikfreunde in Großbritannien und anderswo.
    For once in my life, let me get what I want
    Lord knows it would be the first time.
    Er wusste immerhin, was er wollte.
    FÜNFZEHNTER
    ARREST MIT ATTEST
    I. Das Beste daran
    1)  Ich darf fünf Minuten früher aus jeder Unterrichtsstunde humpeln, damit ich problemlos durch die

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