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Erste Male

Erste Male

Titel: Erste Male Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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vergessen, dass Marcus eine Freundin hat, so selten erwähnt er sie. Nur in Momenten wie diesem oder wenn ich sie beim Rummachen im Schulflur sehe, fällt es mir wieder ein: Ich bin seine erste sexfreie weibliche Bekannte.
    »Was für eine Heuchelei!«, rief ich. »Wie kann man sich so verbiegen? Du wirst ja genau so ein braver, guter Schüler, wie die Schulleitung ihn sich gewünscht hat, mit Homecoming und allem!«
    Marcus gluckste belustigt.
    »Verbiegen? Ich habe den Leitartikel nicht geschrieben.«
    »Aber du stimmst ihm doch zu.«
    »Ich war noch nie beim Homecoming-Ball, also weiß ich nicht, ob ich ihm zustimmen soll.«
    Diese Hy-mäßige Ausrede machte mich rasend.
    »Man muss doch da nicht hingehen, um zu wissen, dass sich alles nur darum dreht, die Sahneschicht und die Möchtegerns anzubeten!«
    »Anders als du bilde ich mir meine Urteile gern nach eigener Anschauung.«
    Ich wurde jede Millisekunde wütender.
    »Was soll das denn heißen?«
    »Dass du sehr schnell über Dinge urteilst, von denen du überhaupt nichts weißt.«
    Ich legte auf.
    Dreißig Sekunden später rief ich wieder an.
    »Tut mir leid, dass ich einfach aufgelegt habe«, sagte ich. »Das war armselig.«
    »War immerhin eine ehrliche Reaktion«, sagte er. »Du warst wütend.«
    »Ich bin immer noch wütend.«
    »Gut.«
    »Gut.«
    Schweigen.
    »Wollen wir morgen weiterreden?«
    »Ja. Wiederhören.«
    Erst als ich zum zweiten Mal aufgelegt hatte, fiel mir auf, was für ein Durchbruch das gewesen war. Ich war wütend über etwas, das Marcus gesagt hatte. Seine Worte stiegen mir nicht mehr zu Kopf wie Alkohol, bloß weil er sie ausgesprochen hatte.
    Marcus ist entzaubert.
    Trotzdem kann ich es kaum erwarten, morgen wieder mit ihm zu sprechen.
    ZWANZIGSTER
    Mom stand tränenüberströmt vorm Badezimmerspiegel, als ich heute von der Schule kam.
    »Ist es so schwer mit mir auszuhalten?«, fragte sie.
    »Was?«
    »Es muss doch einen Grund geben, warum meine Töchter mich beide hassen«, sagte sie und riss ein durchweichtes Papiertaschentuch in Stücke.
    Entweder hatte meine Mutter irgendwelche Wechseljahrbeschwerden oder es war was ganz Schlimmes vorgefallen.
    »Ist was passiert?«
    »Bethie kommt zu Thanksgiving nicht nach Hause«, wimmerte sie und wischte sich die Tränen weg. »Sie und Grant gehen stattdessen zu einer geschäftlichen Dinnerparty von irgendwelchen Dotcom -Bengeln.«
    Mom schmeißt gern mit Begriffen wie Dotcom und Risikokapital um sich, weil sie sich dann so ungeheuer 21. Jahrhundert vorkommt. Ziemlich tragisch, wo doch der Technologie-Hype eindeutig wieder abnimmt. Bethany und G-Money wollen das allerdings auch noch nicht glauben.  
    »Wahrscheinlich ist Geldverdienen wichtiger als Familie. Das Essen kommt bestimmt vom Catering-Service. Würde mich wundern, wenn Bethie da ihren geliebten Süßkartoffelbrei kriegt.«
    Es war echt nicht zu glauben, dass Bethany so eine Monsterzicke sein konnte. Ich hatte mich bestimmt nicht drauf gefreut, sie zu sehen, aber jetzt hatte sie Mom schon zum dritten Mal hängenlassen, seit sie nach Kalifornien gezogen war.
    »Als wär’s nicht schon schlimm genug, dass ich siebenundvierzig werde«, sagte sie und zog mit den Fingern ihre Augenpartie straff. »Ich werde alt und meine Töchter hassen mich.«
    Ach du meine Güte. Am Vierundzwanzigsten hat Mom Geburtstag. Am Freitag nach Thanksgiving. Hatte ich total vergessen.
    »Mom, wir … ich hasse dich überhaupt nicht«, sagte ich.
    »Du redest nicht mit mir«, sagte sie. »Also habe ich dasGefühl, du hasst mich, und das kommt aufs Gleiche-« Sie unterbrach sich mitten im Satz, drehte den Wasserhahn auf und spritzte sich Wasser ins Gesicht.
    Ich schaute meine Mutter an: Das Wasser tropfte ihr von der Nase, verklumpte Grundierung hing pfirsichfleckig an ihren Wangen, blonde Strähnen klebten ihr auf der Stirn. Zum ersten Mal überhaupt sah ich Mom nicht als Mom, sondern als richtigen Menschen. Eine Frau aus Fleisch und Blut, der Ablehnung genau so wehtat wie allen anderen.
    Wie mir.
    Plötzlich hatte ich ein sehr schlechtes Gewissen wegen aller Gemeinheiten, die ich ihr je an den Kopf geworfen oder angetan hatte. Ich war nicht so wie Bethany. Ich war ein besserer Mensch.
    »Hey, Mom«, sagte ich. »Wollen wir an deinem Geburtstag nicht zusammen was unternehmen?«
    Sie sah mich verstört an. »Ist Freitagabend nicht der Homecoming-Ball?«
    War ja klar, dass meine Mutter Pinevilles Homecoming auf ihrem inneren Terminkalender rot angestrichen

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