Erstens kommt es anders ... (German Edition)
Moment ertönte ein sattes Klatschen und Michaels linke Wange schimmerte krebsrot.
In den ersten begeisterten Triumphtaumel, weil sie ihm seine Gemeinheit so fantastisch heimgezahlt hatte, mischte sich augenblicklich blankes Entsetzen. Paralysiert starrte Stevie in das Gesicht, in dem fassungslose Verwirrung allmählich von unbeschreiblichem Zorn abgelöst wurde.
Eine Flucht war ausgeschlossen, die Tür verriegelt und er stand sicherheitshalber auch noch breitbeinig davor. Bis zum Fenster würde sie es niemals schaffen. Nicht in dem engen Kleid.
In der Realität geschah es viel schneller, innerhalb weniger Sekunden. Doch für Stevie lief alles, was nun folgte, wie in Zeitlupe ab. Mit riesigen Augen verfolgte sie, wie seine Hand sich langsam hob und ausholte. Plötzlich wirkte sein Blick dunkler als üblich, sorgsam zählte sie nebenbei die vier Finger, die sich auf seiner Wange abzeichneten. Und als die Hand immer näherkam, schloss sie ergeben die Lider.
Anstatt, dass wieder ein Klatschen ertönte, spürte sie jedoch, wie er ihr Gesicht in seine Hände nahm. Sein unverwechselbarer Duft umhüllte sie mit einem Mal, sie hätte ihn unter Tausenden identifizieren können. Kurz darauf fühlte Stevie seinen heißen Atem auf ihrer Haut, sein wild schlagendes Herz durch den dünnen und feuchten Seidenstoff ihres Kleides, und nur eine Sekunde später seine Lippen auf ihren. Hart und unnachgiebig, keineswegs liebevoll, pressten sie sich auf ihren Mund und er sie insgesamt an sich …
Irgendwann hatte sie den ersten Schock überwunden. Ihre Hände erwachten zum Leben, und sie versuchte, ihn von sich zu stoßen. Bald jedoch musste Stevie einsehen, dass sie ziemlich wehrlos war. Unerbittlich hielt er sie fest und küsste sie, längst hatte er ihre Lippen bezwungen und ihren Mund in Besitz genommen. Immer verzweifelter fielen ihre Befreiungsversuche aus, Angst schnürte ihre Kehle zu und ihr Herz klopfte mit Sicherheit ähnlich schnell wie seines, von dessen Schlägen ihr kein einziger entging.
Und als Stevie drohte, endgültig in ihrer Panik unterzugehen, hörte sie plötzlich sein Seufzen.
Dunkel, resigniert und damit völlig unpassend zu dieser gewaltsamen Szene.
Unvermindert lockerte sich sein Griff und wurde sanft, eine Hand stahl sich an ihren Hinterkopf und streichelte ihr Haar. Seine Lippen wurden nachgiebiger, noch immer war sie ihm sehr nahe, doch inzwischen lag sie in seinen Armen, die schlagartig kein Gefängnis, sondern eher Zuflucht darstellten. Seine Hand legte sich sanft unter ihr Gesicht, ein Daumen auf ihrem Kinn, während der Kuss plötzlich seine ursprüngliche Beschaffenheit verlor, sanfter wurde und so unendlich verführerisch.
Angst, Panik und Wut verschwanden, als hätte eine Zauberhand sie energisch beiseite gewischt. Stevie verlor in Bausch und Bogen. All die vielen Regeln, erdacht in harten, einsamen Stunden, in denen sie sich schwor, sich ihm niemals zu ergeben, besaßen mit einem Mal keinen Wert mehr.
Nicht jetzt, in seinen Armen, mit diesem Kuss, der so viel besser ausfiel, als sie ihn sich jemals erträumen konnte. Mehr hatte sie nie gewollt, und ihr Herz wimmerte immer noch vor Sehnsucht, obwohl sie es doch endlich erleben durfte. Zu lange hatte sie ihn bereits vermisst. Endlose Nächte, in denen sie sich in seine Arme flüchten und vergessen wollte. Endlich diesen verfluchten Schwur zurücknehmen dürfen, stattdessen das unausweichliche Ende in Kauf nehmen und zufrieden und glücklich zugrunde gehen.
Einmal schwach sein und nicht stark, nur ein einziges Mal egoistisch, unvernünftig und emotional – oh ja, so grauenhaft unvernünftig und so verdammt emotional.
Auf einmal interessierte nicht mehr, mit wie vielen Frauen er sich herumgetrieben, oder wie viele er nur am heutigen Abend geküsst hatte. Es gelang ihr, selbst Bianca vorübergehend in den Hintergrund zu schieben. Von ihm geliebt werden, war alles, was sie derzeit wollte.
Und genau das bekam sie soeben. Wie sollte sie da andere und auch noch so störende Gedanken verfolgen?
Nachdem sie zunächst nur äußerst zögernd ihre Arme gehoben hatte, senkten sich auch ihre Hände behutsam auf seine Schultern und tasteten sich langsam vor, bis sie seinen Hals berührten, die Ohren, den Nacken …
Ihr Seufzen klang sinnlich und leidenschaftlich wie seines, nur Michaels Reaktion stimmte nicht.
Denn plötzlich erstarrte er.
* * *
berzeugt, mit seinem plumpen Vorstoß alles vernichtet zu haben, verwirrte Michael um so mehr, dass ihr
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