Erstens kommt es anders ... (German Edition)
gern als Erfolg auf ganzer Linie bezeichnen!
Mit einem Mal spürte er seine Wut aufsteigen, jenen alten Jähzorn, den er so verbittert bekämpfte, und würgte ihn entschieden beiseite. »Keine Panik!« Das kam dumpf, aber immerhin nicht aggressiv. Bestimmt drückte er sie wieder auf die Couch und räusperte sich. »Hören Sie ...« Wie in Zeitlupe hob Miss Grace, die Entsetzte, den Kopf und sah ihn an. Eine Veränderung hatte er inzwischen wenigstens ausgemacht: Jetzt war ihr Blick nicht anklagend, sondern tot.
Das wurde immer besser!
Behutsam nahm er sie an den Schultern, welche sich sogar noch schmaler anfühlten, als sie wirkten. Unter seinen Händen spürte er beängstigend spitze Knochen, diese Bluse kaschierte recht viel. Michael ignorierte ihr Zurückweichen und zwang sie, ihn anzusehen. Blick und Ton wurden beschwörend. »Wir vergessen das Ganze in Ordnung? Die vergangene halbe Stunde hat nie stattgefunden. Ich rufe Ihnen ein Taxi, Sie fahren nach Hause und wir beginnen am Montag von vorn. Ich schwöre, ich werde nie wieder etwas in dieser Richtung unternehmen. Okay?«
Noch immer gab sie keine Antwort und er wurde langsam wirklich wütend. Verdammt! Was war denn schon geschehen? Nichts! Weshalb hatte sie nicht einfach abgelehnt? Stattdessen diese Miene, dieser Blick? Alles in allem für diese Situation weitaus zu üppig! Eine viel zu heftige Reaktion auf ein eher geringfügiges Missverständnis. Inzwischen wusste er, woran er war, alles bestens! Konnte sie jetzt bitte endlich wieder normal werden? Bis vor Kurzem hätte er nie geglaubt, ihr höflich/abweisendes Lächeln einmal zunehmend panisch herbeizusehnen.
»Miss Grace?«
Erstaunlich! Sie erwachte sogar aus ihrer Starre, der Blick wurde klarer. »Ja.«
»Hören Sie mich?«
»Ja.«
»Wollen Sie nach Hause fahren?«
»Ja.«
»Und am Montag beginnen wir von vorn, ohne dass ich Sie nochmals mit dieser Angelegenheit behellige?«
»Ja.«
Aber sie machte keine Anstalten, zu gehen, stand nicht einmal auf! Was Michael zunehmend in Bedrängnis brachte. Urplötzlich wünschte er sich, dass sie verschwand. Nur für heute, nicht für immer. Damit in den kommenden zwei Tagen Gras über die Dinge wachsen konnte und sie eine Chance bekamen, wieder normal miteinander umzugehen. Jetzt jedoch musste er sich diese Frau vom Hals schaffen und der grauenhaften Situation ein Ende bereiten. Irgendwie!
Eher zufällig fiel sein Blick auf die Garderobe im Flur. Mit wenigen Schritten hatte er sie erreicht und eilte mit der hässlichen Jacke ins Wohnzimmer zurück. Der anklagende Blick, den er so schnell wie möglich loswerden wollte, verließ ihn dabei nicht. Auch nicht, als er sie behutsam an den spitzen Schultern auf die Füße zog und begann, sie umständlich anzuziehen. Nach kurzer Zeit, die Reaktionen erfolgten noch immer leicht versetzt, unterstützte sie ihn sogar, schob erst den einen, dann den anderen Arm in den entsprechenden Ärmel und ließ ihn widerstandslos die Knöpfe schließen. Selten hatte er sich derart dabei beeilt, eine Frau anzuziehen.
Bullshit! In Wahrheit war er eher für das Ausziehen zuständig. Den gegenteiligen Part übernahmen die Damen immer selbst. Dann, wenn er ihr Leben längst wieder verlassen hatte!
Schließlich hängte er ihr die Tasche über ihre Schultern, rief ein Taxi, schob sie behutsam zur Tür und öffnete.
»Auf Wiedersehen. Ihr Taxi wird in wenigen Minuten eintreffen.«
»Ja.« »Ruhen Sie sich über das Wochenende aus.«
»Ja.«
»Bis Montag.«
Ihr Kopf hob und senkte sich genau ein Mal. Und damit ging sie.
Noch immer stand Michael an der bereits geschlossenen Tür und starrte auf das dunkle, gepflegte Holz. Als würde es ihm die Antworten geben, nach denen er so dringend suchte.
Erst etliche Minuten später begab er sich wieder in den Sessel und legte das Gesicht in seine Hände. Bislang war es ihm nicht einmal annähernd gelungen, die Geschehnisse der vergangenen Viertelstunde nachzuvollziehen. Konnte er neuerdings seinen Instinkten nicht mehr trauen? Ließ seine Intuition, die ihm bisher in Sachen Frauen immer den richtigen Weg gewiesen hatte, ganz unvermutet nach?
Eine Antwort auf diese speziellen Fragen fand er nicht. Dafür lachte er nach einer Weile trocken auf und hob den Kopf. Eines jedenfalls hatte sie erreicht: Er kam sich schlecht vor. So mies, wie nie zuvor in seinem Leben. Und das, obwohl absolut nichts geschehen war. Jedes Mal, wenn er an diesen Blick dachte, kehrte das hohle Gefühl in seinem Magen
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