Erstens kommt es anders ... (German Edition)
unsicher.
Ohne den Blick von ihr zu nehmen, nickte er knapp und hielt ihr lächelnd die Tür auf.
»Nach Ihnen, Miss Grace!«
Idiot!
* * *
N ie hätte Stevie geglaubt, dass es so angenehm sein könnte, gemeinsam mit der Familie ihres Arbeitgebers zu essen.
Die lockere Atmosphäre war garantiert zu keinem geringen Prozentsatz Diana zuzuschreiben, die sie begrüßte, als würden sie sich seit ungefähr drei Ewigkeiten kennen. Victor Rogers – Dianas Dad … und deren idiotischen Bruders – trug mit Sicherheit auch dazu bei. Es handelte sich um einen liebenswürdigen Gentleman von vielleicht fünfundsiebzig Jahren. Sein Gesicht erinnerte sie an die strenge Ausgabe eines Großvaters. Allerdings verflüchtigte sich dieser erste Eindruck schnell, wenn in seinen so wachen und gutmütigen Blick der Schalk aufblitzte.
Unbefangen plauderte er mit ihr über Gott und die Welt, anscheinend gingen ihm nie die Gesprächsthemen aus. Stevie mochte diesen außergewöhnlichen Mann mit dem scharfen Verstand und tiefgründigen, manchmal etwas beißenden Humor auf Anhieb. Außerdem kam sie ganz nebenbei dahinter, wer für Dianas unermüdliches Plappermaul verantwortlich war. Und sie erfuhr auch endlich, woher die Attraktivität der beiden Geschwister stammte. Verstohlen betrachtete sie Victor Rogers genauer.
Grau melierte Schläfen, ein Gesicht, in dem kaum eine Falte wohnte, wenn man von den Lachfältchen an den Augen einmal absah. Immer noch verdammt attraktiv, markant, zeitlos, bestechend. So würde Mr. Michael Rogers in vierzig Jahren aussehen.
Mit einem Mal spürte sie den Blick der aktuellen Ausgabe auf sich und senkte hastig den eigenen.
Mist!
Am Nachmittag saßen sie dann doch beim heiß geliebten Diktat.
Stevie atmete durchaus auf. Die unangenehme Stimmung hatte sich seit dem Lunch etwas gelegt, und kaum war sein Zorn ein wenig gesunken, schien ihm seine Lieblingsbeschäftigung wieder einzufallen. Er sprach in jenem konzentrierten, beherrschten Ton, den sie so mochte. Weder musste sie in solchen Situationen seine ‚besonderen‘ Blicke fürchten, noch diese verstörenden Wutanfälle. Mit denen wusste sie nicht umzugehen, so etwas hatte Stevie bisher nicht gekannt. Ihr Vater war ein ruhiger, besonnener Mensch gewesen, der niemals laut wurde und ihre Mutter würde nicht einmal brüllen, wenn man ihr ohne Narkose einen Arm amputierte.
Haltung war schließlich alles.
Jetzt verkörperte Rogers jenen Mann, den sie mit Abstand am meisten favorisierte. Von all den vielen verschiedenen Charakteren, die in ihm wohnten:
Dr. Michael Rogers – Rechtsanwalt und Notar.
Sie genoss es durchaus, wenngleich sich ihre Abneigung gegen dieses dämliche Diktat nicht im Geringsten gelegt hatte.
Plötzlich verstummte er mitten im Satz und nach einer kurzen Denkpause ertönte seine energische Stimme. »Gehen Sie bitte in den Privatteil des Hauses. Mrs. Smith hat für sie eines der Gästezimmer hergerichtet!«
Ihr Kopf flog hoch. »Was?«
»Gehen Sie!«, wiederholte er unerbittlich. »Es tut mir leid, ich habe die Zeit vergessen. Es ist nach sechs, wir sitzen hier seit mehr als drei Stunden. Sie sind blass, haben schon wieder diese dunklen Ringe unter den Augen und die machen mich neuerdings nervös. Gehen Sie!«
Stevie hoffte ehrlich, trotz ihrer zunehmenden Gereiztheit, nicht anmaßend zu klingen. »Danke, mir geht es ausgezeichnet. Ich bin hier, um zu arbeiten und ich kann sehr wohl selbst einschätzen ...«
Mit blitzenden Augen unterbrach er sie. »Erstens dürften Sie laut Dr. Burn überhaupt nicht hier sein. Zweitens gelingt Ihnen das eben nicht und drittens gab ich mein Wort. Ich habe nicht vor, es zu brechen. Gehen Sie!«
Verdammt! Diesmal würde sie sich nicht wie ein unmündiges Kind behandeln lassen! Das Ganze war total lächerlich! Trotzig hob Stevie den Kopf und zwang sich, ihn direkt anzusehen. Auch wenn seine Miene inzwischen recht erstarrt wirkte. Sie holte tief Luft. »Mister. Rogers!«
Der lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte sie eisig. »Gehen Sie!«
»Nein!«
»Miss Grace, ich bin leider nicht mit viel Geduld gesegnet, eines meiner schlimmsten Laster. Wenn Sie nicht sofort tun, was ich Ihnen sage, werde ich sie dorthin tragen.« Er lächelte spöttisch. »Und wir beide wissen doch, dass Sie das nicht wollen, oder?« Unvermutet schnellte seine Hand über den Tisch, im nächsten Moment kaperte er sich ihren Block und saß kurz darauf wieder entspannt in seinem Stuhl. »Zwei Minuten«
Damit widmete
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