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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Ungefrohrn
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Zimmer und sah mich liebevoll an. „Darf ich mich zu dir setzen?“
    Ich erwiderte das Lächeln warm und klopfte neben mir auf das Polster des Sofas. „Sehr gerne, Kitty!“
      „Ich nähe gerade an dem Spitzenschal für dich“, sagte sie und zeigte mir den zarten hellblauen Stoff. „Ich habe mir überlegt, ob du vielleicht auch Blütenstände am Rand eingestickt haben möchtest.“
    Ich zog staunend die Augenbrauen hoch. „Kitty… der Schal ist wunderschön! Ich wusste gar nicht, dass du das so gut kannst!“
    Sie kicherte verlegen. „Ich nähe auch alle meine Kleider selbst.“
    Ich legte meine Hand auf ihre. „Ich wünschte, ich würde aus Liebe heiraten und dabei ein von dir genähtes Kleid tragen!“
    Ihre andere Hand legte sich auf meine. „Liebe Carys, das ist ein Wunsch, den ich dir sehr gern erfülle, wenn wir das hier überstanden haben. Bis dahin muss ein gewisser Herr wieder zu Vernunft kommen und sich mindestens einundzwanzigmal dafür, dass er sich mit liederlichem Gesinde abgegeben hat, bei dir entschuldigen!“
    Nun kicherte ich. „Einundzwanzigmal ist gut.“
    Gwydion kam gefolgt von Gabriel und Hamish herein.
      „Gwyn!“ rief ich und sprang auf, während er auf mich zukam. Ich fiel ihm um den Hals. „O Gwyn! Ich danke dir! Danke, dass es dich gibt! Ich hab dich so lieb!“
    Er lachte. „Hey, mein Schwesterchen! Für diese Herzlichkeit habe ich ihm gerne eine reingehauen!“
      „Constance und Isobel sind im Anmarsch“, bemerkte Hamish und setzte sich Gabriel gegenüber an den Spieltisch. „Hat jemand Interesse an einer Partie Canasta?“
    Gwydion schloss sich ihnen an, und auch Isobel und Constance gesellten sich zu ihnen. Katheryne und ich saßen am Kamin. Ich starrte ins Feuer, während meine Freundin neben mir an dem Schal weiternähte und schwieg.
    Emrys betrat das Zimmer, doch keiner schenkte ihm Beachtung. Wortlos nahm er nahe am Fenster Platz und starrte in die Dunkelheit hinaus.
    Schließlich kam Nathaniel herein. „Ach, hier bist du!“ rief er und kam auf mich zu.
    Ich blieb sitzen und sah ihn reserviert an. Ich wusste, ich sollte besser die fast Verliebte spielen, doch ich konnte es nicht mehr. Er hatte mit seinem Verhalten meinen Willen mich zu bessern vollkommen zunichte gemacht. Das ganze hier war eine Farce, und ich war nicht länger gewillt, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Es würde eh alles enden, warum dann nicht wenigstens mit Stolz?
    Plötzlich erinnerte ich mich an Tamarisks Worte: Besiege den Hochmut!
    Eine Wärme durchflutete mich, als ich erkannte, dass die Elfenkönigin damit nicht meinen Stolz, sondern den Hochmut meiner Kontrahenten gemeint hatte.
      „Komm mit mir, Carys, du kannst mir in der Bibliothek Gesellschaft leisten!“
    Hatte ich es zuvor tatsächlich fertiggebracht, mit Nathaniel in der Bibliothek zu sitzen und zu lesen? Der Gedanke erschien mir absurd.
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich möchte diesen Abend mit Katheryne verbringen. Ich genieße ihre Stille und Anmut.“
    Katheryne neben mir sah mich verhohlen an, als hätte sie mich am liebsten in Nathaniels Arme gedrängt, nur um den Schein noch ein wenig länger zu wahren.
    Nathaniel blickte mich unangenehm überrascht an. „Nun gut, dann gehe ich allein. Falls du deine Meinung änderst, weißt du ja, wo du mich findest.“ Er reckte das Kinn und verließ das Gemeinschaftszimmer, aber nicht ohne Isobel einen Blick zuzuwerfen.
    Ich verstand, dass die beiden etwas Ähnliches verband wie Emrys und mich. Doch dies war vor mir verborgen geblieben, weil ich vor allem die Augen verschlossen hatte. Ich hatte immer nur mich und meine kleine Welt gesehen, doch meine Freunde hatten mir die Augen geöffnet.
    Ich dachte an das Dorf Rosewood und wie arm alles auf mich gewirkt hatte, während wir hier in Pomp und Glorie lebten. Es schien, als lebten die Menschen in großer Armut, weil sie hohe Lehen an Patricia zu entrichten hatten. Die Ernten waren sehr ertragreich, und auch die Handwerksbetriebe leisteten hervorragende Arbeit. Patricia saugte diese Menschen, ihre Lehensmänner und Untergebenen, wie ein Vampir aus.
    Die Flammen im Kamin leckten hungrig an den Holzscheiten, manche schlugen meterhoch an den Mauern entlang. Ich war blind gewesen, ignorant, ein verwöhntes, kleines, dummes Ding.
    Rosewood und seine Menschen sollten in dem Wohlstand leben, den sie erwirtschafteten. Ich mochte nicht daran denken, dass die Bauern und Handwerker nahezu neunzig Prozent an Abgaben

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