Erwachen
aufgerissen hatten, als das Opfer sich in entsetzlichen Qualen gewunden hatte, während diese Bestien ihn bei lebendigem Leib aufgefressen hatten.
Emrys.
Ich spürte die Spinnen auf und in mir nicht mehr, ich sah sie nicht. Alles, was ich noch sah, war ein toter, versehrter Emrys.
Und nun war ich dran.
Hart wurde ich gepackt und aus meinem Traum gerissen. Bis ich begriff, dass Emrys mich schüttelte, mich einmal mehr aus meinen Alpträumen errettete, wehrte ich mich heftig, indem ich um mich schlug und um mich trat.
„Carys“, mahnte er sanft und ließ meine Handgelenke nicht los.
Nun wusste ich, wie er als Junge immer wissen konnte, wann mich ein Nachtmahr heimsuchte. Als Kind schon hatte er sich in mich fühlen können, und die Ruhe, die ihm innegewohnt hatte, war dann über mich hereingebrochen und hatte mir Trost gespendet.
Doch heute war er angefüllt mit einer Verzweiflung, die mich zu ertränken drohte. Ich hielt in meinem Kampf inne und tat einen tiefen Schluchzer, spürte die Tränen in Sturzbächen über mein Gesicht laufen und gab auf.
Sobald Emrys‘ Griff um meine Handgelenke sich lockerte, schlang ich meine Arme um seinen Hals und vergrub erschöpft mein Gesicht an ihm.
Er umschloss mich mit einer festen, alles in mir rettenden Umarmung. „Carys“, hauchte er in mein Haar. „Vergiss diese abscheulichen Bilder sofort! Hörst du? Keiner von uns beiden wird sterben! Alles wird gut, mein Engel!“
Ich schluchzte ihm sein Hemd nass und genoss die vertraute und so sehr vermisste Nähe. Sein Körperduft kroch heimelig in mich und betörte aufs Neue meine Sinne. „Emrys“, wimmerte ich immer noch schmerzbetäubt.
„Lass es los! Lass dieses Grauen los, Carys!“ flüsterte er bestimmt.
Dann spürte ich die Wärme seines Körpers durch seine Kleidung, spürte mich selbst wieder, wie mein Körper die Härte der Anspannung losließ und langsam wieder weich wurde.
„So ist es gut“, raunte Emrys und ließ mich nicht los.
„Lass mich nicht los!“ flehte ich sicherheitshalber.
„Ich bin da, ich bin bei dir.“ Seine Hände streichelten behutsam und beruhigend über meinen Rücken, über meinen Kopf. „Ich halte dich.“
∞∞∞
Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, lag ich allein in meinem Bett. Ich schmunzelte wehmütig, denn Emrys hatte wie früher nicht gewartet, bis ich aufwachte, sondern hatte schon eher mein Zimmer verlassen.
Ich drehte mich auf die Seite und entdeckte neben mir einen Brief.
Guten Morgen, mein Engel
Ich habe Dich nicht losgelassen, sondern halte Dich in meinen Gedanken immer noch fest in meinem Armen.
Ein neuer Tag beginnt, und es dauert weniger als eine Woche, bis Du Nate heiratest. Auch wenn es mir mehr als schwer fällt und ich diesen Idioten am liebsten fest schlagen möchte, bitte ich Dich: sei höflich und nett zu ihm, damit er keinerlei Verdacht schöpft. Wenn Du Dich ihm gegenüber weiterhin so verhältst wie gestern Abend, dann wird das Ende schneller kommen, als mir lieb ist.
Der Gedanke, dass Dir etwas zustoßen könnte, schnürt mir die Kehle zu. Ich habe Angst, dass ich gerade dann, wenn Du mich brauchst, nicht da sein könnte. Dieses Warten auf das Ende macht mich ganz krank. Ich will Dich in meine Arme schließen, Dich atmen, Deine nackte Haut auf meiner spüren und in Deinen leidenschaftlichen Küssen versinken…
Carys, mein Herz
Vernichte diesen Brief, wenn Du ihn gelesen hast. Ihn zu behalten wäre zu gefährlich!
Denke immer daran, dass ich Dich liebe!
Dein Emrys
Kaum hatte ich die Zeilen gelesen, da ließ ich mit Tränen in den Augen das Papier in Flammen aufgehen und sprang mit neuer Tatkraft aus dem Bett.
Es war tatsächlich so, als halte ein Stück von Emrys mich wirklich fest. Es war ein Teil seiner Seele, das mich zusammenhielt, und ich wollte seinen Rat befolgen und mich bemühen, Nathaniel liebenswürdig zu begegnen.
Gwydion holte mich wie gewohnt zum Frühstück ab und störte sich nicht an meinem Schweigen. Mit meinen Gedanken war ich noch bei der vergangenen Nacht, in der Emrys mich gehalten hatte, bis ich eingeschlafen war.
Ich hatte mich nach seiner Nähe gesehnt, hatte neben seiner geistigen Nähe auch seinen Körper gewollt, doch es war nichts zwischen uns geschehen. Wir hatten uns nicht einmal geküsst.
Auf der einen Seite war es gut so gewesen, doch auf der anderen Seite fragte ich mich, ob wir jemals wieder die Gelegenheit haben würden, unsere Körper und Seelen zu
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