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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Ungefrohrn
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hatten. Es sollte genau anders herum sein! Gwydion würde dies als erstes ändern müssen, wenn er der König war!
      Warum weinst du?
    Ich zuckte erschrocken zusammen, als ich Emrys‘ Stimme in meinem Kopf hörte. Er klang besorgt, nicht schneidend und kalt.
    Ich hatte nicht bemerkt, dass ich mich erhoben und vor dem Feuer gestanden hatte. Ich hatte allen den Rücken zugewandt und weinte stumme Tränen für die Bewohner eines Dorfes, das mir am Herzen lag. Woher weißt du, dass ich weine?
      Ich kann deine Gefühle spüren, Carys.
    Ich schnaubte. Ist das so?
      Ja, leider ja. Und ich habe mit dieser Gabe alles falsch gemacht. Wenn du mir doch nur verzeihen könntest…
    Mich durchströmte plötzlich das Gefühl von seiner Scham, seinen Schuldgefühlen, seiner Wut – und seiner Liebe. Auch diesmal war es, als würde ich endlich mit offenen Augen begreifen, was ich ihm angetan hatte.
      Ich nutze diese Gabe so gut wie nie, weil es nicht angenehm ist. Wenn ich deine Gefühle aufnehme, so gebe ich meine eigenen dafür hin. Es ist ein Austausch.
    Ich faltete meine Hände ineinander. Ich bin dir dankbar für diesen Einblick in deine Gefühle, Emrys.
      Ich habe dir so unendlich viel Leid zugefügt, Carys! Ich habe mich einfach schändlich verhalten! Sag mir, was ich tun kann, damit du mir verzeihst und mir irgendwann wieder vertrauen kannst!
    Ich presste die Lippen aufeinander. Als erstes musst du mir unbedingt zuhören, Emrys, bitte!
      Ja, ich höre dir zu.
      Ich liebe dich und habe mein Vertrauen in dich nie verloren. Ich weiß, dass mein Verhalten dich erst dazu getrieben hat, so töricht und ungerecht zu handeln. Es ist mir so viel offenbart worden und endlich sehe ich klar, Emrys! Patricia weiß, dass du ihr Sohn bist! Sie beobachtet uns und sammelt Beweise für ihren Verdacht. Du musst dich unbedingt von mir fernhalten, Emrys! Hörst du?
      Carys! Nein!
      Ich schmeckte mein eigenes Blut, weil ich mir bei dem verzweifelten Klang seiner Stimme in die Lippe gebissen hatte. Unser beider Leben und die Leben unserer Freunde hängen davon ab, dass du und ich nicht zusammen sind! In rascher Folge teilte ich ihm in Worten und in Bildern alles, was ich erfahren hatte, mit.
      Die Hochzeit ist also der Tag der Entscheidung, bemerkte er aufgebracht.
      Nur, wenn wir nicht vorher auffliegen. Dann hätten wir alles verloren.
    Ich werde mich von dir fernhalten, Carys. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass es eine Welt ohne dich geben soll!
    Ich spürte eine Hand auf meiner Wange, obwohl mich niemand körperlich anfasste. Es war Emrys‘ Geist, der mich zart berührte und mir einen sanften Kuss auf die Schläfe drückte. In meinen Gedanken legte ich meine Hand auf seine Wange und flüsterte:
      Ich habe in einer Welt ohne dich leben müssen, mein Liebster, und es ist unerträglich.
    Nun war es eine echte Hand, die sich auf meine Schulter legte. „Komm, Schatz! Ich bring dich zu Bett!“
    Ich wandte mich um und sah Gwydion tränenerstickt an, dann nickte ich stumm und ließ mich von ihm aus dem Raum führen.
    Wir sprachen kein Wort, erst als wir vor meinem Zimmer standen.
      „Gute Nacht, meine Kleine!“ flüsterte er und gab mir einen Kuss auf die Wange.
      „Gwyn, ich hab dich so lieb!“
      „Ich weiß, Schatz! Ich dich auch. Und jetzt geh schlafen. Schließ dein Zimmer ab!“
    Ich nickte und tat, was er mir befohlen hatte.
     
    ∞∞∞

Ich träumte schlecht. Dort, wo mein Unterbewusstsein mich hingeführt hatte, war es dunkel, kalt und modrig. Mein Zauberlicht funktionierte hier nicht und ich fror entsetzlich.
    Plötzlich stand ich vor einer Mauer, an welcher Spinnen, fett und schwarz, langsam auf und ab liefen. Als sie mich entdeckten, rannten sie knisternd die Steine hinab, über den Boden und an meinem Körper hinauf. Sie bissen und stachen in meine Haut und quiekten dabei vergnügt auf.
    Ich wollte schreien, doch mein Mund war zugenäht und es tat höllisch weh, als ich ihn zum Schrei aufreißen wollte. Der stumme, entsetzte Schrei verlor sich in meinem Innern und ich starrte auf das, was die Spinnen an der Mauer freigegeben hatten.
    Dort hingen in Ketten die Überreste eines menschlichen Körpers. Die Haut war weiß und sah aus wie aus Gips, roher grober Gips. An Stellen, wo sich eigentlich die Körperöffnungen befanden, bestand alles aus Trichternetzen gefüllt mit Spinneneiern.
    An den Handgelenken sah ich die Spuren von Blut und rohem Fleisch, dort wo die Eisenfesseln die Haut

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