Erwachen
um!«
»Oder sie dich.«
Er trat einen Schritt zurück und hielt mir die Hand hin. Ich nahm sie nicht, obwohl ich mich ihm nur zu gern wieder in die Arme geworfen hätte. Aber das konnte ich nicht bringen. Ich musste jetzt klug und vorsichtig sein. »Du bist ein Tri-Jal! Warum sollte ich dir trauen?«
Seine Augen blitzten, und er schob das Kinn vor. Offensichtlich versuchte er, nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren. »Im Moment bin ich der Einzige, den du hast.«
»Das reicht nicht.« Ich stand auf, ohne auf seine Hand zu achten. »Du bist ein Dämon, Deacon! Genau wie die, die mich gerade total verarscht haben. Sie wissen bestimmt, dass ich stocksauer werde, sobald ich es rausfinde. Und jetzt, wo sie mich nicht mehr brauchen, sind meine Tage vermutlich sowieso gezählt. Wenn sie mich umbringen, erfährt niemand von ihrem Geheimnis. Was für ein Zufall, dass ausgerechnet in diesem Moment ein Tri-Jal, einer der schlimmsten Dämonen überhaupt, auftaucht und mich zu einem kleinen Ausflug einlädt.« Ich schüttelte den Kopf. »Ohne mich!«
Ich wollte gehen, aber er packte mich am Ellbogen und zog mich wieder an sich.
»Nimm die Finger weg! Sonst schaue ich in deinen Kopf. Du willst, dass ich bleibe? Dann zeig mir, was du da oben weggesperrt hast.«
Er ließ mich los. »Nein.«
»Tschüss.« Ich wandte mich zum Gehen.
»Lily.«
In seiner Stimme lag so viel Schmerz, dass ich stehen blieb.
»Du sollst das nicht sehen«, sagte er. »Was in mir ist. Was ich getan habe. Was ich immer noch in der Lage bin zu tun. Das ist tabu. Grundsätzlich.«
»Wie du meinst.« »Aber ich schwöre dir, ich bin nicht hier, um dir was zu tun. Und du warst bereits einmal in meinem Kopf. Du weißt, welcher mein Weg ist.«
»Erlösung«, flüsterte ich automatisch.
»Wir müssen hier raus.«
Ich zögerte, weil es das Klügste schien, vor ihm wegzulaufen. Aber ich brachte es nicht über mich. Ob es falsch war oder nicht - letztendlich vertraute ich ihm doch. Mehr oder weniger jedenfalls.
»Ein paar Blocks weiter östlich habe ich ein paar Apartments gesehen«, sagte er. »Da können wir hin. Wir suchen uns eins, das leer steht. Verkriechen uns. Reden.«
Als ich nickte, blickte er mich erleichtert an. Ich sammelte meine Waffen ein und folgte ihm nach draußen. Dann holte ich meinen Mantel, der über dem Engel hing, und wir ließen die Kirche und das Blutbad hinter uns. »Mach dein Handy aus«, sagte er. »Wenn es an ist, können sie dich finden.«
Ich nickte und schaltete es aus. »Du sagst, dass du versucht hast, mich umzubringen, nachdem ich den Rufer getötet hatte. Der übrigens ein Dämon war. Erklär mir das doch bitte mal: Wenn ich für Dämonen gearbeitet habe, wieso wollten sie dann, dass ich ihn umbringe?«
»Wir reden drinnen.«
»Wir reden jetzt!« Ich war mir noch immer nicht sicher, ob ich ihm trauen sollte, und bevor ich mit diesem Mann in einen geschlossenen Raum ging, brauchte ich mehr Informationen.
Er sah mich von der Seite an und nickte. »Du hast recht, er war ein Dämon. Aber Maecruth war auf der Suche nach Erlösung.«
»Maecruth?«
»Der Rufer.«
»Oh.« Ich war mir nicht sicher, ob ich wissen wollte, dass er einen Namen hatte. »Er wollte in den Himmel.«
Deacon zuckte mit den Schultern und ging weiter. »Dass es Himmel und Hölle gibt, haben sich die Menschen ausgedacht. Sagen wir einfach, er suchte das Licht. Er wollte eine Chance, es in sich aufzunehmen. Das Dunkle in ihm damit zu füllen. Aber das Dunkle in ihm war zu dickflüssig, wie Öl. Wie das, was übrig bleibt, wenn ein Dämon ermordet wird. Vor ihm lag eine riesige Aufgabe.«
»Er musste die Schatulle von Shankara zu dem Priester bringen«, riet ich.
»Genau. Die Schatulle war seit Jahrhunderten verschwunden, aber Pater Carlton brauchte sie für die Zeremonie. Maecruth war es gelungen, sie aus einem dämonischen Tresor zu stehlen.«
»Pater Carlton«, wiederholte ich. »Dann kann ich das, was ich getan habe … das kann ich nur gutmachen, wenn ich einen Weg finde, die Pforte wieder zu verschließen. Oder vielleicht auch, wenn es mir gelingt, sämtliche Schlüssel zu zerstören? Oder die Schlösser auszuwechseln?«
»Die Schatulle von Shankara war der einzige Schlüssel, mit dem sich die Neunte Pforte hätte verschließen lassen.«
»Oh Gott.«
Er warf mir einen Blick von der Seite zu. »Aber es gibt Legenden. Geschichten über einen Schlüssel, der alle neun Pforten verschließen wird.«
Ich schöpfte ein bisschen Hoffnung.
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