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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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Griff.
    »Lily«, schnauzte er mich an. »Sei still!«
    Und während ich nach dieser verbalen Ohrfeige um Fassung rang, schlitzte er meinen Arm direkt unter dem Ellbogen waagrecht auf.
    Und das Merkwürdige daran? Es tat nicht weh.
    Aus der Wunde drang ein Rinnsal Blut, gegen das er den Rand der Klinge presste und über meinen Unterarm schmierte. Ein Teil des Bluts blieb, wo das Messer es hingedrückt hatte, ein anderer Teil aber schien sich aus eigenem Antrieb zu bewegen und formte ein seltsames Muster auf meiner Haut.
    Verwirrt starrte ich darauf, dann schnappte ich nach Luft. Denn jetzt setzte der Schmerz ein, wenn auch nicht von der Wunde, sondern von dem Blut, das sich in meine Haut einbrannte. «Clarence! Scheiße! Da ist ja wie Säure! Mach es weg!« Ich versuchte, meinen Arm auszuschütteln, aber er ließ mich nicht los.
    »Noch einen Moment, Lily. Nur noch einen Moment… Da!«
    Erneut zog er das Messer nach unten und bedeckte den verbrannten Bereich mit Blutschlieren. Schlagartig ließ der Schmerz nach und er meinen Arm los. Ich fiel auf meinen Hintern, den Arm an den Bauch gepresst. »Was sollte denn der Scheiß?«
    »Sieh auf deinen Arm, Lily!«?
    »Was? Ich soll mein frisch verstümmeltes Fleisch ansehen? Leck mich!«
    »Schau hin!«
    Verdammt, ich tat es. Und was ich erblickte, war ganz erstaunlich: ein Kreis mit seltsamen Symbolen, irgendwie aztekisch. Oder, keine Ahnung, was ähnlich Altes. »Was ist das?«
    »Ein Sucher.«
    »Und was macht er auf mir?«
    »Die Prophezeiung«, sagte er lächelnd. »Du bist die Richtige, Kleine. Und das ist ein weiterer Beweis.«
    «Irgendeine bescheuerte Prophezeiung hat mich in eine Landkarte verwandelt?«
    »In einen Zielsucher, aber das läuft so ziemlich auf das Gleiche raus.«
    »Scheiße«, sagte ich leise. »Scheiße. Gut. Schön. Fein. Wie funktioniert das Ding?«
    Er tippte in die Mitte des Kreises, die einzige Stelle, die nicht von Abbildungen bedeckt war. »Wenn der Rufer die Schatulle bereits hätte, wäre sein Symbol hier.«
    »Ist es aber nicht. Und was bedeutet das?«
    »Die Schatulle befindet sich immer noch in einer tiefen Schicht.« Clarence runzelte die Stirn. »Sie werden sie sich erst besorgen, wenn die Zeremonie unmittelbar bevorsteht. So ist das Risiko geringer.«
    »Welches Risiko?«
    Er blickte mich ernst an. »Du.«
    »Oh.« Im Moment kam ich mir nicht wie eine allzu große Bedrohung vor. »Klar.« Ich schaute kurz auf meinen Arm. »Was ist mit den anderen Symbolen?«
    »Einige werden sich hervorheben, und die benutzt du dann, um das Versteck der Schatulle aufzuspüren.«
    »Tatsächlich?« Allmählich musste ich - wenn auch widerwillig - zugeben, dass mich das Ganze faszinierte. Erschreckte, aber faszinierte.
    »Wenn die Zeit reif ist, ja.«
    Ich beschloss, mit der Frage, wie ich das im Einzelnen bewerkstelligen sollte, noch zu warten. Gegenwärtig war ich einfach überwältigt von der Tatsache, dass mein Arm im Prinzip eine Shankara-Schatullen-Diebstahlsicherung geworden war. »Und wenn sich herausstellt, dass die Schatulle in Tokio ist?«
    »Die Brücke wird dich dorthin führen«, erklärte Clarence.
    »Die Brücke?«
    Er winkte ab. »Keine Angst.«
    »Aber …«
    »Die Chancen, dass die Schatulle woanders auftaucht, sind gering.«
    »Warum?«
    »Weil die Pforte hier ist. Bei der Konvergenz wird sich der Durchgang zwischen den Welten genau hier in Boston öffnen.«
    »Ohne Scheiß?« So viel zu dem ganzen Zirkus in Nahost. »Dann kann ich ja froh sein, dass ich mir nie Immobilien zugelegt habe.«
    Er warf mir einen bösen Blick zu, ich zuckte mit den Schultern. »Ein kleiner Scherz zum Auflockern.« Ich räusperte mich. »Tja also, und was jetzt? Ich meine, nachdem in der Mitte meines entzückenden neuen Körperkunstwerks nichts ist?«
    »Der Kreis wird verblassen«, erklärte Clarence, und tatsächlich verschwand er bereits langsam. »Aber wenn der Rufer seine Fähigkeiten einsetzt und die Schatulle erscheinen lässt, wird das Mal brennen. Dann wissen wir, dass er sie gerufen hat.« Er blickte mir in die Augen. »Also gib acht.«
    »Wird gemacht. Und bis dahin, was mache ich da? Rumsitzen und meinen Arm beobachten?«
    »In der Zwischenzeit trainierst du.«
    »Ach, stimmt ja«, sagte ich, weil mir klar wurde, dass mir am Ende des Armbeobachtens ja eine große Schlacht gegen Dämonen ins Haus stand. Logisch, Training war genau das, was ich dringend brauchte. »Schön, ich trainiere also mit einem Team, oder? Und wenn mein Arm brennt,

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