Erwachende Leidenschaft
behandeln.«
Leider fiel ihr darauf keine prompte Antwort ein. Colin fungierte ja nun momentan als ihr Vormund, und sie sollte ihm wohl wirklich Respekt erweisen. Dennoch hatte sie keine Lust, ihm zuzustimmen. Vor allem deswegen nicht, weil er ihr deutlich genug zu verstehen gegeben hatte, daß er sie gar nicht hier haben wollte.
»Fühlt sich dein Bruder besser?«
»Er ist halb tot«, erwiderte er fröhlich.
»Magst du Caine nicht?«
Er lachte. »Natürlich mag ich meinen Bruder.«
»Warum scheinst du es dann so erheiternd zu finden, wenn er halb tot ist?«
»Weil er wirklich krank ist, was bedeutet, daß er bei den Plänen meines Vaters nicht mitmacht.«
Sie schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, drehte sich wieder um und rannte die letzten Stufen förmlich hinauf. »Und wie geht es seiner Frau?« rief sie über die Schulter zurück.
»Sie ist nicht ganz so grün im Gesicht wie Caine«, erklärte Colin. »Gott sei Dank hat sich ihre kleine Tochter nicht anstecken können. Sie und Sterns sind auf dem Land geblieben.«
»Wer ist denn Sterns?«
»Normalerweise ihr Butler, augenblicklich das Kindermädchen«, sagte er. »Caine und Jade bleiben in London, bis sie sich wieder erholt haben. Meiner Mutter geht es bereits besser, aber meine Schwestern können immer noch nichts im Magen behalten. Ist es nicht komisch, Alesandra, daß du nicht auch krank geworden bist?«
Sie wagte nicht, ihn anzusehen. Sie wußte, daß sie verantwortlich zu machen war, und wand sich, es zuzugeben. »Jetzt, wo ich darüber nachdenke, war mir auf meiner Fahrt hierher auch ein bißchen übel«, bemerkte sie beiläufig.
Colin lachte. »Caine nennt dich die Pest.«
Wieder wandte sie sich um. »Ich habe sie doch nicht absichtlich krank gemacht. Gibt er wirklich mir die Schuld?«
»Ja.« Es machte ihm Spaß, sie zu necken.
Ihre Schultern fielen herab. »Ich hatte gehofft, morgen bei deinem Bruder und seiner Frau einziehen zu können«
»Das geht wohl nicht.«
»Und jetzt fürchtest du, daß du mich am Hals haben wirst, nicht wahr?«
Sie wartete, daß er es abstritt. Ein Gentleman hätte schließlich etwas Galantes gesagt, nur um höflich zu sein, selbst wenn es eine Lüge sein sollte.
»Alesandra, ich habe dich schon am Hals.«
Sie bedachte seine Ehrlichkeit mit einem biestigen Blick. »Dann kannst du die Lage ja auch hinnehmen und versuchen, etwas netter zu sein.«
Sie hastete den Flur entlang und betrat sein Arbeitszimmer. Er folgte ihr, lehnte sich an den Türrahmen und sah zu, wie sie Papiere von dem kleinen Tisch am Kamin nahm.
»Du bist doch nicht wirklich getroffen, weil ich nicht an die Krankheit meiner Familie geglaubt habe, oder?«
Sie gab ihm keine Antwort. Statt dessen fragte sie: »Hat dein Vater dir von meiner Situation erzählt?«
Die Furcht in ihren Augen überraschte sie. »Zu einem langen Schwätzchen war er nicht aufgelegt.«
Sie entspannte sich sichtlich.
»Aber dafür wirst du mir deine Situation erklären, nicht wahr?«
Er hatte mit sanfter, ruhiger Stimme gesprochen. Dennoch reagierte sie, als hätte er sie angebrüllt. »Mir wäre es lieber, wenn dein Vater es täte.«
»Er kann es nicht. Also tu du es.«
»Ja«, willigte sie endlich ein. »Ich muß es dir wohl erklären. Du versperrst Flannaghan den Weg«, fügte sie hinzu, und ihre Erleichterung über die Unterbrechung war ihr deutlich anzusehen.
»Prinzessin Alesandra, Sie haben Besuch. Neil Perry, der Earl of Hargrave, wartet unten im Salon auf Sie.«
»Was will der denn?« fragte Colin.
»Neil ist Victorias älterer Bruder«, erklärte Alesandra. »Ich habe ihm heute morgen eine Nachricht geschickt, daß ich ihn sprechen möchte.«
Colin kam zum Tisch herüber und lehnte sich dagegen. »Weiß er, daß du ihn über seine Schwester befragen willst?«
Alesandra reichte Flannaghan ihre Papiere, bat ihn, sie in ihr Zimmer zu bringen, und wandte sich dann wieder an Colin. »Ich habe ihm meine Gründe nicht genau dargelegt.«
Sie verließ den Raum, bevor Colin sie wegen der kleinen Täuschung tadeln konnte. Sie ignorierte auch seine Befehle, sofort wieder zurückzukommen, und ging zu ihrem Zimmer. Sie hatte eine Liste von Fragen zusammengestellt, die sie Neil stellen wollte, damit sie keine einzige vergaß. Das Blatt Papier lag auf ihrem Nachttisch. Sie schenkte Flannaghan ein Lächeln, der ihre Laken glättete, faltete den Zettel und beeilte sich, nach unten zu kommen.
Flannaghan wollte sie so gerne standesgemäß ankündigen, aber sie ließ es
Weitere Kostenlose Bücher