Erwachende Leidenschaft
auf das Importgeschäft nicht verzichten, und General Ivan würde eurem Land sicher freundlich gegenüberstehen, wenn seine Herrscher mich dazu überreden könnten, in eine Ehe mit ihm einzuwilligen. Es existiert ein anderer Mann, der den Thron haben will, und Sir Richards hält ihn für weitaus skrupelloser. Zumal er wahrscheinlich keine Handelsabkommen einhalten würde.«
»Du bist also das Opferlamm, richtig?«
Sie antwortete nicht.
»Was hat mein Vater Sir Richards geantwortet?«
Sie begann, die Finger ineinander zu verschränken. »Sir Richards kann sehr überzeugend sein. Dein Vater hörte seinen Argumenten zu und versprach, darüber nachzudenken. Nachdem Richards fort war, entschied er gegen die Heirat.«
»Und warum?«
Sie senkte den Blick auf ihre Hände, sah, wie rot ihre Haut schon geworden war und lockerte ihren festen Griff. »Ich habe geweint«, gestand sie. »Ich schäme mich, es zuzugeben, aber ich habe tatsächlich geweint. Ich war ziemlich aufgebracht. Deine Mutter wurde böse auf deinen Vater, und es gab einen hitzigen Streit. Dadurch fühlte ich mich noch elender. Ich hatte das Gefühl, ich würde jeden durch meine Selbstsucht enttäuschen. Meine einzige Entschuldigung ist die Tatsache, daß meine Eltern so eine glückliche Ehe geführt haben und ich mir immer gewünscht habe, es ihnen nachzumachen. Ich kann einfach nicht glauben, daß ich Liebe und Glück bei einem Mann bekommen kann, der mich nur aus politischen Gründen heiratet. Ich habe den General zwar nie kennengelernt, aber Raymond und Stefan haben mir von ihm erzählt. Wenn nur die Hälfte von den Geschichten stimmt, dann ist der General ein sehr zügelloser Mensch.«
Alesandra hielt inne, um tief Luft zu holen. »Dein Vater hat ein weiches Herz. Er konnte nicht ertragen, mich traurig zu sehen. Und schließlich hat er meinem Vater ja das Versprechen gegeben, sich um mich zu kümmern.«
»Also beschloß er, du solltest mich heiraten.«
»Ja«, antwortete sie. »Er hat es gehofft, aber er rechnete nicht damit. Ansonsten hätte deine Mutter schon deinen Namen auf die Einladungen geschrieben. Siehst du, Colin, ich habe mir Illusionen gemacht, als ich deinem Vater sagte, ich wolle aus Liebe heiraten. Jetzt weiß ich, daß es nicht möglich ist, wenn ich so schnell und dringend einen Ehemann finden muß, und so hatte ich den Entschluß gefaßt, die Ehe als geschäftliches Abkommen zu betrachten. Als Gegenleistung für mein beträchtliches Erbe würde mein Mann seine Wege gehen und ich meine. Ich wäre gerne gereist … und irgendwann vielleicht in das Kloster zurückgekehrt. Das Leben dort war sehr friedlich.«
»Verdammt.«
Sie hatte keine Ahnung, was sie von seinem gemurmelten Fluch halten sollte. Also runzelte sie die Stirn und sagte: »Ich hoffte auch, daß mein Mann und ich mit der Zeit Freunde werden könnten.«
»Und Liebhaber?«
Sie hob die Schultern. »Alles ist möglich, Colin, wenn genug Zeit und Geduld vorhanden ist. Wie auch immer – ich habe genug Zeit gehabt, meine Ansicht zu ändern. Zugegeben, die Herren in England sind zivilisierter, und ich hatte gehofft, wenigstens einen mit genug Anstand zu finden, aber heute abend habe ich begriffen, daß all das nicht zählt. Ich werde mich fügen und den General heiraten. Ich habe schon genug Ärger verursacht. Vielleicht wird dieser Mann mit der Zeit lernen … weichherziger zu werden.«
Colin schnaubte. »Eine Schlange hört niemals auf, sich auf dem Boden zu winden. Er wird sich nicht ändern, und du wirst ihn nicht heiraten. Verstanden?«
Sein barscher Ton ließ sie schaudern. »Ich will deine Zustimmung, Alesandra.«
Sie verweigerte sie ihm, denn das Bild von Raymonds blutender Wange ging ihr nicht aus dem Kopf. »Ich will nicht noch mehr …«
»Komm her.«
Alesandra ging zu ihm hinüber und blieb vor seinem Tisch stehen. Er winkte sie näher heran. Also ging sie um den Tisch herum und blieb knapp einen Schritt vor ihm stehen.
»Der General würde seinen Plan nur aufgeben, mich in Ruhe lassen, wenn ich bereits einen Mann hätte … nicht wahr?«
Die Kombination von Furcht und Hoffnung in ihrer Stimme berührte ihn tief in seinem Herzen. Sie war zu jung für derartige Sorgen. Alesandra sollte soviel Flausen und Unsinn im Kopf haben wie seine jüngere Schwester.
Verdammt noch mal, sie brauchte dringend einen vernünftigen Heiratskandidaten. Er griff nach ihren Händen und hielt sie fest. Erst jetzt merkte sie, daß sie sie wieder gerungen hatte, und versuchte,
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