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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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ersten Mal von der Lehrerin erzählt hatte, die ohne Grund quer durch die ganze Schule gegangen war und mich vor dem Übergriff rettete. Alles begann, einen Sinn zu ergeben.
    »Wer war das?«, fragte ich
    »Der Engel, der dich gemacht hat. Er scheint gewillt zu sein, unsere Gesetze für dich zu brechen.« Seine Lippen zuckten ein winziges bisschen. Ich konnte nicht sagen, ob aus Anerkennung oder Missfallen.
    »Unser Wesen schlummert in dir wie die Samen eines Waldes. Nicht eines, sondern viele.«
    Im Laufe der Jahre hatte mich die Schule den unschätzbaren Wert eines ausdruckslosen Gesichtes gelehrt. Eines, das sagt: Wenn es einfacher für dich ist, werde ich nicht fragen, aber in Wahrheit habe ich keine Ahnung, was du gerade gesagt hast.
    »Ist das gut?«, fragte ich und wischte die Schweißperlen ab, die mir übers Gesicht liefen.
    »Dein Wille ist stark – er ist tatsächlich so stark, dass du anscheinend die Macht hast, den Willen anderer zu überwinden. Ob das gut ist oder … anders? Das liegt bei dir.«
    Fabelhaft. »Antworten in Rätselform? Ziemlich klischeehaft, findest du nicht?«
    »Vielleicht, aber Rätsel sind alles, was wir haben. Wenn Verstehen zu deinen Füßen läge, wäre es nicht nötig, sich auf den Weg zu machen, um es zu finden.« Er schwieg eine Weile. Sein Gesicht war ausdruckslos, als wäre er nicht richtig da. Dann, als hätte jemand ein Licht wieder eingeschaltet, konzentrierte er sich wieder auf mich.
    »Einem hast du dein Herz gegeben, einem anderen dein Fleisch.«
    Ich wurde rot und schaute auf meine Füße.
    »Hoffen wir, dass die Wahrheit dich befreien wird«, sagte er.
    »Noch mehr kryptisches Zeug?«, sagte ich abwehrend. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Ich meine, ich war nicht so naiv, dass ich gedacht hätte, Heiligenscheine und Zaubertricks zu sehen zu bekommen, aber mit Ausflüchten hatte ich auch nicht gerechnet.
    Er hielt mir wieder die Hand hin. »Darf ich das Amulett sehen?«
    Ein Angstschauder lief durch meinen Körper. »Hast du mich dazu gebracht, es mitzubringen?« Ich wusste die Antwort bereits, als ich fragte. Ich zog das Amulett heraus und legte es auf seinen Handteller. »Es gehörte meiner Mutter. War sie eine Grigori?«
    »Das werde ich nicht beantworten. Ich kann dir jedoch sagen, dass dieses Amulett niemals ihr, sondern schon immer dir gehört hat. Es gibt einen Grund für die Botschaft auf seiner Rückseite.« Er zog die Augenbrauen ein wenig hoch. »Wenn du mehr wissen möchtest, forsche in deiner Geschichte nach.«
    »Warum sagst du es mir nicht einfach?«, fragte ich, während ich eine noch entspanntere Haltung einnahm und eine Hand hochhielt, um mich vor der sengenden Sonne zu schützen. Ich war mir inzwischen sicher, dass er nicht näher kommen würde als unbedingt notwendig. Irgendwie schien er sich von mir abgestoßen zu fühlen. Das war auch gut so. Wenn es zu einem Kampf gekommen wäre, wäre ich erledigt gewesen.
    »Nicht mein Wissen ist dir zugedacht, sondern meine Führung.«
    Er schwieg eine Zeit lang. Dann nickte er kurz. »Du hast viele Stärken, und du wirst sie alle brauchen. Du wirst deine Engelsnatur annehmen.«
    Er ließ das alles so simpel erscheinen, aber ich wusste, dass es alles andere war als das.
    »Also … wie machen wir das jetzt?« Visionen kamen mir in den Sinn, in denen ich vom Blitz erschlagen wurde.
    Dieses Mal verzog sich sein Mund tatsächlich zum winzigsten aller Lächeln. »Eine Reise. Du wirst die Kräfte, die in dir stecken, bei deiner Rückkehr entdecken. Setze sie sorgfältig ein, denn es sind ihrer viele, und wisse, dass selbst die größten Boten der Gerechtigkeit ihr Heil nur im Verzicht finden.«
    Ich zeigte ihm mein ausdrucksloses Gesicht. Er wandte sich um.
    »Warte!«, schrie ich. »Welchen Rang hat der Engel, der mich gemacht hat?«
    Verwirrung zeichnete sich auf seinen perfekten Gesichtszügen ab. Seine Hände zuckten schwach. »Ich … weiß es nicht.«
    Er begann wegzugehen.
    »Soll ich dir folgen?«, rief ich.
    »Nicht heute. Du musst woandershin. Du suchst Wasser und musst es dich selbst finden lassen.«
    Dann war er weg.
    Ich war allein, mitten im Nichts, umgeben von Millionen Tonnen Sand und Staub. Meine einzige Gesellschaft war mein glühender Durst.

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
    »Die Hälfte des Wissens darüber, was man will, besteht darin, zu wissen, was man aufgeben muss, bevor man es bekommt.«
    SIDNEY HOWARD
     
    Z uerst kam mir die nahe liegende Frage in den Sinn. Wo bin ich? Wie lange bin

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