Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
mehr lange auf sich warten ließ.
Ein dunkler Teil von ihr – das mächtige Raubtier, das ihr jetzt vertrauter wurde als ihr altes Ich der letzten siebenundzwanzig Jahre – wollte dabei sein, wenn Dragos seinen letzten Atemzug tat. Sie knurrte auf vor Gier nach blutiger, endgültiger Rache, ihre Glyphen unter ihren Kleidern pulsierten farbig vor Wut. Aber sosehr sie auch zu Dragos’ Untergang beitragen wollte, sie durfte mit ihren persönlichen Rachegelüsten nicht dem Orden in die Quere kommen. Das war die Schlacht des Ordens, nicht ihre. Genauso, wie Chase seine Schlacht mit der Blutgier alleine austragen musste. Er hatte sie nicht um Hilfe gebeten, wollte diese Hilfe auch nicht. Das hatte er ihr unmissverständlich klar-gemacht, und sie akzeptierte es, auch wenn es ihr das Herz brach. Sie war nicht Teil von Chases Welt, auch nicht der des Ordens, und genauso wenig gehörte sie in das vollgestellte, beengte Haus der toten Lakaiin.
Sie musste ihren eigenen Platz in der Welt finden, einen Ort, wo sie hingehörte, wo auch immer er sein mochte. Doch das Problem war, dass sie immer, wenn sie versuchte, sich ihr neues Leben vorzustellen, Chases gut aussehendes, gehetztes Gesicht vor sich sah.
Sie liebte ihn. Sie gehörte zu ihm und würde immer zu ihm gehören.
Selbst wenn seine Krankheit ihn nie aus ihren Klauen ließ.
Im Lauf des Morgens hatte sich das Gefühl einer Unheil verkündenden Vorahnung über das Hauptquartier gesenkt. Die Neuigkeit, dass es einen Konflikt zwischen Chase und Tavia gegeben hatte und Tavia daraufhin verschwunden war, war nur eine weitere Komplikation in einer Situation, in der alle ernst und angespannt waren.
Dragos brütete etwas Großes aus.
Niemand konnte sicher sein, was genau er vorhatte, aber nachdem der Orden letzte Nacht einen seiner Leutnants in Boston verhört hatte, waren alle K rieger in einem Zustand grim mi ger Erwartung . Und dass der Orden jetzt um zehn Uhr am Morgen weitere fünf oder sechs Stunden ins Haus verbannt war, um das Tageslicht abzuwarten, machte die Lage auch nicht besser.
Während die meisten Krieger anderswo versammelt waren, um mit Lucan Informationen und die Taktik ihrer Patrouillen durchzusprechen, saßen Gideon und Lazaro Archer mit Dylan und Jenna im provisorischen Techniklabor. Mit seinen etwa tausend Jahren war Archer einer der Ältesten seiner Spezies, sogar noch älter als Lucan. Trotzdem wirkte der gut aussehende schwarzhaarige Stammesvampir mit den mitternachtsblauen Augen keinen Tag über dreißig. Erst, als er von der normannischen Eroberung Englands und den Kreuzzügen erzählte, als wären sie erst im letzten Jahr passiert, wurde Jenna sich der schwindelerregenden Diskrepanz zwischen seiner Lebenserfahrung und seiner jugendlichen Erscheinung bewusst.
»Du hältst es also für möglich, dass die Ältesten aktiv eine nichtmenschliche Spezies jagten?«, fragte sie ihn.
Archer dachte einen Augenblick nach. »Alles ist möglich. Es könnte erklären, warum mein eigener Vater – einer der acht Ältesten – monatelang verschwand, als ich ein Junge war. Manchmal hat er Versammlungen mit seinen Brüdern erwähnt. Das könnten ohne Weiteres solche Jagdzüge gewesen sein, wie du sie im Traum gesehen hast.«
»Warum sie umbringen?«, fragte sich Jenna laut. »Ich meine, was war das Problem zwischen ihnen?«
Archer hob die muskulösen Schultern. »Die Ältesten waren Eroberer. Wir haben das in deinen Aufzeichnungen gesehen, in der Geschichte, die wir inzwischen aus deinen Träumen zusammengetragen haben. Mein Vater und seine Spezies hatten nichts Menschliches an sich, und sie kannten keine Gnade.«
»Er hat recht«, bemerkte Gideon von der anderen Seite des Raumes, wo er wild auf seine Tastaturen eintippte und sich durch Tausende von Datensätzen hackte, die sie Dragos’ totem Leutnant in New Orleans abgenommen hatten. »Bevor der Orden sie getötet hat, überfielen die Ältesten menschliche Siedlungen wie ein Heuschreckenschwarm. Sie haben Blut gesoffen, vergewaltigt, Menschen abgeschlachtet. Wer ihnen Widerstand leistete, wurde vernichtet.«
Jenna nickte und erinnerte sich an den Albtraum von der Flutwelle, die die Bevölkerung einer ganzen Stadt ausgelöscht hatte. In dem eine geflohene Königin erwähnt worden war, die sich geweigert hatte, sich den Ältesten zu ergeben. Die Vernichtung ihrer Stadt war der Vergeltungsschlag der Ältesten gewesen, und seither hatten sie ihre Legion mit hartnäckiger Entschlossenheit gejagt.
»Mal
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