Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
gezerrt, sie in den Kofferraum der FBI -Limousine geworfen und war mit ihr davongerast. Obwohl es schien, als seien sie über eine Stunde gefahren, hätte Tavia schwören können, dass sie die Innenstadt nie verlassen hatten. Die Geräusche und Gerüche, die Kurven und Schlaglöcher des dichten Straßennetzes, der unablässige Verkehrslärm – ihre Sinne hatten all das gekannt, als könnte sie die Stadt von ihrem engen, dunklen Kofferraum aus vor sich sehen.
Diese Umgebung war ihr vertraut. Da draußen war die Freiheit, wenn sie nur irgendwie aus diesem abgeschlossenen Zimmer herauskam.
Raus aus diesem leblosen Phantom von einem Haus.
Tavia zog den Bademantel enger um sich, stand von der Matratze auf und ging noch einmal zum Fenster hinüber. Es gab nichts zu sehen, und die Läden ließen sich nicht öffnen. Sie waren offenbar elektronisch gesteuert und so sicher wie ein Banktresor. Auch die dicken Fensterscheiben ließen sich nicht öffnen, sie musste sie schon einschlagen, wenn sie hinauswollte. Vorausgesetzt, dass das Glas überhaupt zerbrochen werden konnte und dass sich hier irgendein Werkzeug fand, das sich dazu benutzen ließ.
Ihre Augen hatten sich schon lange auf die Dunkelheit eingestellt. Tavia sah zu den Möbeln im Schlafzimmer hinüber, die in helle Leinentücher gehüllt waren. Gedrungene Formen ließen eine hohe Kommode und einen Toilettentisch mit Spiegel erahnen. Sie ging hinüber, hob das Leinentuch und durchstöberte hastig die Schubladen. Zu ihrer Überraschung fand sie dort säuberlich zusammengelegte Socken und Unterwäsche, mit militärischer Präzision nach Farben und Stoffen sortiert.
Im begehbaren Wandschrank machte sie dieselbe unerwartete Entdeckung: eine vollständige Männergarderobe mit Dutzenden von teuren Maßanzügen und Fracks sowie Freizeitbekleidung in konservativem Stil, die allein Zehntausende von Dollar wert sein musste. Eine Sammlung Schuhe Größe achtundvierzig, alle schwarz und mit peinlicher Sorgfalt poliert und gepflegt, stand im untersten Regal des riesigen Wandschranks. Wer immer hier gewohnt hatte, hatte ein privilegiertes Leben geführt.
Und offenbar hatte er das alles hier zurückgelassen.
Das ganze Schlafzimmer schrie förmlich nach altem Geld und alten Familientraditionen. Tavia sah zu der Stuckleiste auf, die die drei Meter hohe Decke einrahmte, die Wandtäfelung, die nicht gestrichen oder tapeziert, sondern mit zarter elfenbeinfarbener Seide bezogen war. Langsam ging sie zur anderen Seite des großen Raumes hinüber, unter ihren nackten Füßen erstreckte sich ein Orientteppich mit dunklem Muster fast über den ganzen Boden.
Ein breiter Schreibtisch nahm fast die ganze Wand auf der anderen Seite des Bettes ein. Sie zog das Leinentuch herunter und setzte sich in den weichen Ledersessel. Die Schreibtischplatte war abgeräumt worden, aber in den Schubladen, wie schon in der Kommode, befanden sich die säuberlich geordneten Habseligkeiten eines unterbrochenen und aufgegebenen Lebens.
Tavia durchsuchte die Füllhalter und Büromaterialien nach etwas, das sich als Waffe gegen ihren Entführer oder als Werkzeug zum Ausbruch aus ihrem Gefängnis verwenden ließ. Als sie im hinteren Teil der Schublade wühlte, fanden ihre Fingerspitzen einen Stapel Schnappschüsse, die zusammen mit diversen anderen Andenken auf einem flachen Silbertablett lagen.
Sie zog es heraus und stellte es auf die polierte hölzerne Schreibtischplatte. Ein distinguiert klingender Name war in ihm eingraviert: Sterling Chase. War er das?, fragte sie sich. Ob er so hieß?
Ein kleiner Metallbehälter von etwa der Größe ihres Daumens rollte auf den Fotos hin und her. Tavia hob ihn auf und untersuchte ihn, konnte aber nicht sagen, ob überhaupt etwas darin war. Er fühlte sich leicht an und machte beim Schütteln kein Geräusch, aber der Korkstopfen war sorgfältig mit rotem Wachs versiegelt. Sie legte ihn beiseite, als ihr Blick auf die Fotos fiel.
Es waren etwa ein Dutzend, sie zeigten diverse Ereignisse und Personen, die offenbar über einen Zeitraum von zehn Jahren aufgenommen waren: ein offizieller Empfang in einem vornehmen Country Club. Irgendeine Preisverleihung, besucht von riesigen Männern in denselben dunklen Anzügen, wie sie sie eben im Schlafzimmerschrank gefunden hatte. Die Geburtstagsparty eines kleinen Jungen mit jeder Menge bunter Luftballons und Luftschlangen und einem Berg Geschenke, die offenbar in genau diesem Haus stattgefunden hatte.
Und ein letzter Schnappschuss,
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