Erzählungen
sech-
zehnjährige Mädchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der
früheren Köchin aus, hatte aber um die Vergünstigung gebe-
ten, die Küche unaufhörlich versperrt halten zu dürfen und nur
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auf besonderen Anruf öffnen zu müssen; so blieb der Schwes-
ter also nichts übrig, als einmal in Abwesenheit des Vaters die
Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter
auch heran, verstummte aber an der Tür vor Gregors Zimmer.
Zuerst sah natürlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in
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Ordnung war; dann erst ließ sie die Mutter eintreten. Gregor
hatte in größter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Fal-
ten gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zufällig über
das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor unterließ auch
diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren; er verzichtete
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darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen, und war nur froh,
daß sie nun doch gekommen war. "Komm nur, man sieht ihn
nicht", sagte die Schwester, und offenbar führte sie die Mutter an der Hand. Gregor hörte nun, wie die zwei schwachen Frauen den immerhin schweren alten Kasten von seinem Platze
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rückten, und wie die Schwester immerfort den größten Teil der
Arbeit für sich beanspruchte, ohne auf die Warnungen der
Mutter zu hören, welche fürchtete, daß sie sich überanstren-
gen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon viertel-
stündiger Arbeit sagte die Mutter, man solle den Kasten doch
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lieber hier lassen, denn erstens sei er zu schwer, sie würden
vor Ankunft des Vaters nicht fertig werden und mit dem Kas-
ten in der Mitte des Zimmers Gregor jeden Weg verrammeln,
zweitens aber sei es doch gar nicht sicher, daß Gregor mit der
Entfernung der Möbel ein Gefallen geschehe. Ihr scheine das
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Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedrücke der Anblick der leeren
Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch Gregor
diese Empfindung haben, da er doch an die Zimmermöbel
längst gewöhnt sei und sich deshalb im leeren Zimmer verlas-
sen fühlen werde.
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"Und ist es dann nicht so", schloß die Mutter ganz leise, wie sie überhaupt fast flüsterte, als wolle sie vermeiden, daß Gre-_________________________________________________________________
Franz Kafka: Erzählungen
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gor, dessen genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur
den Klang der Stimme höre, denn daß er die Worte nicht
verstand, davon war sie überzeugt, "und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der Möbel zeigten, daß wir jede Hoff-5
nung auf Besserung aufgeben und ihn rücksichtslos sich selbst
überlassen? Ich glaube, es wäre das beste, wir suchen das
Zimmer genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es früher
war, damit Gregor, wenn er wieder zu uns zurückkommt, alles
unverändert findet und umso leichter die Zwischenzeit verges-
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sen kann."
Beim Anhören dieser Worte der Mutter erkannte Gregor,
daß der Mangel jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache,
verbunden mit dem einförmigen Leben inmitten der Familie,
im Laufe dieser zwei Monate seinen Verstand hatte verwirren
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müssen, denn anders konnte er es sich nicht erklären, daß er
ernsthaft danach hatte verlangen könne, daß sein Zimmer
ausgeleert würde. Hatte er wirklich Lust, das warme, mit er-
erbten Möbeln gemütlich ausgestattete Zimmer in eine Höhle
verwandeln zu lassen, in der er dann freilich nach allen Rich-
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tungen ungestört würde kriechen können, jedoch auch unter
gleichzeitigem schnellen, gänzlichen Vergessen seiner mensch-
lichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon nahe daran, zu
vergessen, und nur die seit langem nicht gehörte Stimme der
Mutter hatte ihn aufgerüttelt. Nichts sollte entfernt werden;
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alles mußte bleiben; die guten Einwirkungen der Möbel auf
seinen Zustand konnte er nicht entbehren; und wenn die Mö-
bel ihn hinderten, das sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so
war es kein Schaden, sondern ein großer Vorteil.
Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte
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sich, allerdings nicht ganz unberechtigt, angewöhnt, bei Be-
sprechung der Angelegenheiten Gregors als besonders Sach-
verständige gegenüber den Eltern aufzutreten, und so war
auch jetzt der Rat der Mutter für die Schwester Grund genug,
auf der Entfernung nicht nur des Kastens und des Schreibti-
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sches, an die sie zuerst allein gedacht hatte, sondern auf der
Entfernung sämtlicher Möbel, mit Ausnahme des unentbehrli-
chen Kanapees, zu
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