Erzählungen
unter dem Kanapee,
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aber er mußte bis zum Mittag warten, ehe die Schwester wie-
derkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte
daraus, daß ihr sein Anblick noch immer unerträglich war und
ihr auch weiterhin unerträglich bleiben müsse, und daß sie sich
wohl sehr überwinden mußte, vor dem Anblick auch nur der
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kleinen Partie seines Körpers nicht davonzulaufen, mit der er
unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch diesen Anblick
zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem Rücken - er
brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden - das Leintuch auf das
Kanapee und ordnete es in einer solchen Weise an, daß er nun
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gänzlich verdeckt war, und daß die Schwester, selbst wenn sie
sich bückte, ihn nicht sehen konnte. Wäre dieses Leintuch
ihrer Meinung nach nicht nötig gewesen, dann hätte sie es ja
entfernen können, denn daß es nicht zum Vergnügen Gregors
gehören konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch
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klar genug, aber sie ließ das Leintuch, so wie es war, und Gre-
gor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben,
als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig
lüftete, um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrich-
tung aufnahm.
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In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht
über sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und er hörte oft,
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Franz Kafka: Erzählungen
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wie sie die jetzige Arbeit der Schwester völlig erkannten, wäh-
rend sie sich bisher häufig über die Schwester geärgert hatten,
weil sie ihnen als ein etwas nutzloses Mädchen erschienen war.
Nun aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor
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Gregors Zimmer, während die Schwester dort aufräumte, und
kaum war sie herausgekommen, mußte sie ganz genau erzäh-
len, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hat-
te, wie er sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine
kleine Besserung zu bemerken war. Die Mutter übrigens wollte
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verhältnismäßig bald Gregor besuchen, aber der Vater und die
Schwester hielten sie zuerst mit Vernunftgründen zurück,
denen Gregor sehr aufmerksam zuhörte, und die er vollständig
billigte. Später aber mußte man sie mit Gewalt zurückhalten,
und wenn sie dann rief: "Laßt mich doch zu Gregor, er ist ja 15
mein unglücklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, daß ich zu
ihm muß?", dann dachte Gregor, daß es vielleicht doch gut
wäre, wenn die Mutter hereinkäme, nicht jeden Tag natürlich,
aber vielleicht einmal in der Woche; sie verstand doch alles
viel besser als die Schwester, die trotz all ihrem Mute doch nur 20
ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht nur aus kindli-
chem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe übernommen hatte.
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in
Erfüllung. Während des Tages wollte Gregor schon aus
Rücksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster zeigen,
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kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern des
Fußbodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon
während der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht
mehr das geringste Vergnügen, und so nahm er zur
Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer über Wände
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und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing
er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem
Fußboden; man atmete freier; ein leichtes Schwingen ging
durch den Körper; und in der fast glücklichen Zerstreutheit, in
der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen, daß
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er zu seiner eigenen Überraschung sich losließ und auf den
Boden klatschte. Aber nun hatte er natürlich seinen Körper
ganz anders in der Gewalt als früher und beschädigte sich
selbst bei einem so großen Falle nicht. Die Schwester nun
bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor für sich
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gefunden hatte - er hinterließ ja auch beim Kriechen hie und
da Spuren seines Klebstoffes - , und da setzte sie es sich in
den Kopf, Gregor das Kriechen in größtem Ausmaße zu er-
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Franz Kafka: Erzählungen
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Ausmaße zu ermöglichen und die Möbel, die es verhinderten,
also vor allem den Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaf-
fen.
Nun war sie aber nicht imstande, dies allein zu tun; den
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Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das Dienstmädchen
hätte ihr ganz gewiß nicht geholfen, denn dieses etwa
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