Erzählungen
Entschlüsse ruhige 25
und ruhigste Überlegung sei. In solchen Augenblicken richtete
er die Augen möglichst scharf auf das Fenster, aber leider war
aus dem Anblick des Morgennebels, der sogar die andere Seite
der engen Straße verhüllte, wenig Zuversicht und Munterkeit
zu holen. "Schon sieben Uhr", sagte er sich beim neuerlichen 30
Schlagen des Weckers, "schon sieben Uhr und noch immer ein
solcher Nebel." Und ein Weilchen lang lag er ruhig mit schwa-chem Atem, als erwarte er vielleicht von der völligen Stille die Wiederkehr der wirklichen und selbstverständlichen Verhältnisse.
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Dann aber sagte er sich: "Ehe es einviertel acht schlägt,
muß ich unbedingt das Bett vollständig verlassen haben. Im
übrigen wird auch bis dahin jemand aus dem Geschäft kom-
men, um nach mir zu fragen, denn das Geschäft wird vor sie-
ben Uhr geöffnet." Und er machte sich nun daran, den Körper 40
in seiner ganzen Länge vollständig gleichmäßig aus dem Bett
hinauszuschaukeln. Wenn er sich auf diese Weise aus dem
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Franz Kafka: Erzählungen
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Bett fallen ließ, blieb der Kopf, den er beim Fall scharf heben
wollte, voraussichtlich unverletzt. Der Rücken schien hart zu
sein; dem würde wohl bei dem Fall auf den Teppich nichts
geschehen. Das größte Bedenken machte ihm die Rücksicht
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auf den lauten Krach, den es geben müßte und der wahr-
scheinlich hinter allen Türen wenn nicht Schrecken, so doch
Besorgnisse erregen würde. Das mußte aber gewagt werden.
Als Gregor schon zur Hälfte aus dem Bette ragte - die neue
Methode war mehr ein Spiel als eine Anstrengung, er brauchte
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immer nur ruckweise zu schaukeln - , fiel ihm ein, wie einfach
alles wäre, wenn man ihm zu Hilfe käme. Zwei starke Leute -
er dachte an seinen Vater und das Dienstmädchen - hätten
vollständig genügt; sie hätten ihre Arme nur unter seinen
gewölbten Rücken schieben, ihn so aus dem Bett schälen, sich
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mit der Last niederbeugen und dann bloß vorsichtig dulden
müssen, daß er den Überschwung auf dem Fußboden vollzog,
wo dann die Beinchen hoffentlich einen Sinn bekommen wür-
den. Nun, ganz abgesehen davon, daß die Türen versperrt
waren, hätte er wirklich um Hilfe rufen sollen? Trotz aller Not
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konnte er bei diesem Gedanken ein Lächeln nicht unterdrü-
cken.
Schon war er so weit, daß er bei stärkerem Schaukeln kaum
das Gleichgewicht noch erhielt, und sehr bald mußte er sich
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nun endgültig entscheiden, denn es war in fünf Minuten ein-
viertel acht, - als es an der Wohnungstür läutete. "Das ist jemand aus dem Geschäft", sagte er sich und erstarrte fast, während seine Beinchen nur desto eiliger tanzten. Einen Augenblick blieb alles still. "Sie öffnen nicht", sagte sich Gregor, 30
befangen in irgendeiner unsinnigen Hoffnung. Aber dann ging
natürlich wie immer das Dienstmädchen festen Schrittes zur
Tür und öffnete. Gregor brauchte nur das erste Grußwort des
Besuchers zu hören und wußte schon, wer es war - der Proku-
rist selbst. Warum war nur Gregor dazu verurteilt, bei einer
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Firma zu dienen, wo man bei der kleinsten Versäumnis gleich
den größten Verdacht faßte? Waren denn alle Angestellten
samt und sonders Lumpen, gab es denn unter ihnen keinen
treuen ergebenen Menschen, der, wenn er auch nur ein paar
Morgenstunden für das Geschäft nicht ausgenutzt hatte, vor
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Gewissensbissen närrisch wurde und geradezu nicht imstande
war, das Bett zu verlassen? Genügte es wirklich nicht, einen
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Franz Kafka: Erzählungen
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Lehrjungen nachfragen zu lassen - wenn überhaupt diese Fra-
gerei nötig war - , mußte da der Prokurist selbst kommen, und
mußte dadurch der ganzen unschuldigen Familie gezeigt wer-
den, daß die Untersuchung dieser verdächtigen Angelegenheit
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nur dem Verstand des Prokuristen anvertraut werden konnte?
Und mehr infolge der Erregung, in welche Gregor durch diese
Überlegungen versetzt wurde, als infolge eines richtigen Ent-
schlusses, schwang er sich mit aller Macht aus dem Bett. Es
gab einen lauten Schlag, aber ein eigentlicher Krach war es
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nicht. Ein wenig wurde der Fall durch den Teppich abge-
schwächt, auch war der Rücken elastischer, als Gregor gedacht
hatte, daher kam der nicht gar so auffallende dumpfe Klang.
Nur den Kopf hatte er nicht vorsichtig genug gehalten und
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