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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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nachzugeben.
    Als Kläre in der dritten Saison in eine Stellung an das Dresdener Hoftheater berufen wurde, gab der Freiherr trotz seiner Jugend eine vielversprechende Staatskarriere auf und übersiedelte nach Dresden. Nun verbrachte er jeden Abend mit Kläre und ihrer Mutter, die sich allen Verhältnissen ihrer Tochter gegenüber eine schöne Ahnungslosigkeit zu bewahren gewußt hatte, und hoffte von neuem. Leider hatte der Holländer die unangenehme Gewohnheit, in jedem Brief sein Kommen für den nächsten Tag anzukündigen, der Geliebten anzudeuten, daß sie von einem Heer von Spionen umgeben sei und ihr im übrigen äußerst schmerzhafte Todesarten anzudrohen für den Fall, daß sie ihm die Treue nicht bewahrt haben sollte. Da er aber nie kam und Kläre allmählich in einen Zustand höchster Nervosität geriet, beschloß Leisenbohg, der Sache um jeden Preis ein Ende zu machen, und reiste zum Zwecke persönlicher Verhandlungen nach Detmold ab. Zu seinem Erstaunen erklärte der Holländer, daß er seine Liebes- und Drohbriefe an Kläre nur aus Ritterlichkeit geschrieben hätte und daß ihm eigentlich nichts willkommener wäre, als jeder weiteren Verpflichtung ledig zu sein. Glückselig reiste Leisenbohg nach Dresden zurück und teilte Kläre den angenehmen Ausgang der Unterredung mit. Sie dankte ihm herzlich, wehrte aber schon den ersten Versuch weiterer Zärtlichkeit mit einer Bestimmtheit ab, die den Freiherrn befremdete. Nach einigen kurzen und dringenden Fragen gestand sie ihm endlich, daß während seiner Abwesenheit kein Geringerer als Prinz Kajetan eine heftige Leidenschaft zu ihr gefaßt und geschworen hätte, sich ein Leids anzutun, wenn er nicht erhört würde. Es war nur natürlich, daß sie ihm schließlich hatte nachgeben müssen, um nicht das Herrscherhaus und das Land in namenlose Trauer zu versetzen.
    Mit ziemlich gebrochenem Herzen verließ Leisenbohg die Stadt und kehrte nach Wien zurück. Hier begann er, seine Beziehungen spielen zu lassen, und nicht zum geringsten seinen unausgesetzten Bemühungen war es zu danken, daß Kläre schon für das nächste Jahr einen Antrag an die Wiener Oper erhielt. Nach einem erfolgreichen Gastspiel trat sie im Oktober ihr Engagement an, und der herrliche Blumenkorb des Freiherrn, den sie am Abend ihres ersten Auftretens in der Garderobe fand, schien Bitte und Hoffnung zugleich auszusprechen. Aber der begeisterte Spender, der sie nach der Vorstellung erwartete, mußte erfahren, daß er wieder zu spät gekommen war. Der blonde Korrepetitor – auch als Liederkomponist nicht ohne Bedeutung, – mit dem sie in den letzten Wochen studiert hatte, war von ihr in Rechte eingesetzt worden, die sie um nichts in der Welt hätte verletzen wollen.
    Seither waren sieben Jahre verstrichen. Dem Korrepetitor war Herr Klemens von Rhodewyl gefolgt, der kühne Herrenreiter; Herrn von Rhodewyl der Kapellmeister Vincenz Klaudi, der manchmal die Opern, die er dirigierte, so laut mitsang, daß man die Sänger nicht hörte; dem Kapellmeister der Graf von Alban-Rattony, ein Mann, der im Kartenspiel seine ungarischen Güter verspielt und dafür später ein Schloß in Niederösterreich gewonnen hatte; dem Grafen Herr Edgar Wilhelm, Verfasser von Ballettexten, deren Komposition er hoch bezahlte, von Tragödien, für deren Aufführung er das Jantschtheater mietete, und von Gedichten, die im dümmsten Adelsblatt der Residenz mit den schönsten Lettern gedruckt wurden; Herrn Edgar Wilhelm ein Herr, namens Amandus Meier, der nichts war als neunzehn Jahre alt und sehr hübsch – und nichts besaß als einen Foxterrier, der auf dem Kopfstehen konnte; Herrn Meier der eleganteste Herr der Monarchie: der Fürst Richard Bedenbruck.
    Kläre hatte ihre Beziehungen nie als Geheimnis behandelt. Sie führte jederzeit ein einfaches bürgerliches Haus, in dem nur die Hausherrn zuweilen wechselten. Ihre Beliebtheit im Publikum war außerordentlich. In höheren Kreisen berührte es angenehm, daß sie jeden Sonntag zur Messe ging, zweimal monatlich beichtete, ein vom Papst geweihtes Bildnis der Madonna als Amulett am Busen trug und sich niemals schlafen legte, ohne ihr Gebet zu verrichten. Selten gab es ein Wohltätigkeitsfest, bei dem sie nicht als Verkäuferin beteiligt war, und sowohl Aristokratinnen als Damen der jüdischen Finanzkreise fühlten sich beglückt, wenn sie unter dem gleichen Zelt wie Kläre ihre Waren ausbieten durften. Jugendliche Enthusiasten und Enthusiastinnen, die bei der Bühnentür ihrer

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