Erzaehlungen
spielte weiter und verlor ununterbrochen. Ein paar Zuschauer hatten sich gesammelt; man war erstaunt über das kühne Spiel des Malers. Bald war es allen klar, daß er eine große Erbschaft gemacht hatte und daß ein guter Teil davon verloren war. Da sagte Graf Spaun: »Wollen Sie sich nun nicht ein bißchen ausruhen?«
Aber Weldein spielte weiter. Ein Satz nach dem anderen ging verloren. Man fing an, ihn zu bedauern, man schüttelte den Kopf über seine wahnsinnigen Sätze. Sein Unglück war unfaßbar ... Nur einen Augenblick schien es, als wollte sich die Sache wenden. Doch nein. Das alte Unglück fing gleich wieder an. Und er lächelte immerfort, zum Schluß lachte er sogar hell auf! Und jetzt erhob er sich. Es war zu Ende. »Guten Abend, meine Herren«, sagte er. Man machte ihm Platz, wie einem Menschen, vor dessen Unglück man Achtung haben muß. Er schritt dem Ausgang zu ... Man schaute ihm nach. Der Graf folgte ihm. Weldein eilte die Stiege hinunter, die Straße entlang. An der Ecke holte ihn der Graf ein.
»Weldein ... Weldein!«
»Ah – Sie, Herr Graf!«
»Wohin eilen Sie?«
»Ich weiß nicht ...«
»Machen Sie mir keine Narrheiten. Verstehen Sie! Keine Narrheiten. Es ist ja weiter nichts verloren.«
»Nein, gar nichts!«
»Gewonnenes Geld! Ja, wenn's erworben, sauer erarbeitet gewesen wäre ...«
Der junge Künstler antwortete nichts, ging rasch vorwärts, den Weg durch die lange Gasse nehmend ... wie damals sein Vater. Mit Mühe nur vermochte es der Graf, an seiner Seite zu bleiben. Er wiederholte: »Wohin laufen Sie denn eigentlich? Kommen Sie doch mit mir ... noch ein Glas trinken.«
»Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Graf; aber wenn Sie mir folgen wollen ... ich muß an eine ganz besondere Stelle, ich muß dahin.«
»Wohin?«
»Wohin? Dorthin, wo mein Vater an jenem Abend das Geld vergraben hatte.«
»Also doch vergraben!«
»Ja ... und er vergaß die Stelle.«
»Vergaß?«
»Ja – vergaß sie. Zwanzig Jahre lebte er so hin, als ein reicher Mann, der nur nicht wußte, wo er sein Geld liegen hatte. Köstlich, nicht? Und auf dem Totenbette fiel es ihm ein.«
»Wie? Was ist das für ein Märchen?«
»Nein, Wahrheit, Herr Graf! Und dieses Leben! Die ewige Qual ... als reicher Mann darben zu müssen ... Und ich! Plötzlich fiel es mir zu! Und ich stand da als ein Unabhängiger ...«
»Wohin führen Sie mich denn?«
»Kommen Sie nur, wir sind bald dort!«
»Ja, was wollen Sie denn jetzt dort?«
»Eine Laune.«
Eine Weile eilten sie schweigend weiter. Sie waren am Ufer angelangt.
»Da – die Brücke.«
»Nun?« fragte der Graf.
»Folgen Sie mir nur!« Und er eilte den Weg hinab unter die Brücke ... Er warf sich neben dem Pfeiler zu Boden und rief aus: »Da! Da!«
»Wie –? –«
»Hier war es ... Hier grub ich es aus. Und ... Sehen Sie ... Sehen Sie doch?«
»Nun, was? Ich sehe, daß die Steine feucht sind von dem aufspritzenden Wasser.«
»Wie? Da sehen Sie hin!« Und er hatte sich auf ein Knie niedergelassen, mit der Hand auf die Steine greifend.
»Nun, was soll ich denn sehen?«
»Da liegt ja wieder Geld?«
»Wie?«
»Oh, welche Menge! Welche Summen!«
»Aber was fällt Ihnen ein!«
»Oh ...«, und er wühlte mit den Nägeln im Sand zwischen den Steinen ... »ich bin ja wieder reich.«
»Weldein! Seien Sie nicht toll!«
»Ei, welch ein Glück – welch ein Glück«, und er steckte sich Sand und kleine Steine in die Tasche.
»Aber ... Weldein! Sie sind nicht bei sich! Fassen Sie sich doch! Bedenken Sie, daß Sie auf der Welt noch etwas zu tun haben! Sammeln Sie Ihre Gedanken! Ein großes Werk wartet Ihrer! Ihr Bild.« Aber der Maler hörte nicht auf ihn. Er wühlte und schob sich die Steine in die Tasche. Der Graf faßte ihn an den Schultern und rief: »Genug! Kommen Sie! Kommen Sie!« Langsam erhob sich Weldein. »Oh, ich komme ... Führen Sie mich zurück ... Herr Graf!«
»Wohin?«
»Nun, zurück in den Klub! Nun kann ich wieder spielen!«
Ratlos stand der andere da. War's denn möglich! Hatte ihn der Verlust wahnsinnig gemacht? Sie waren beide wieder emporgestiegen und standen neben der Brücke. Der Graf faßte die Hand des jungen Künstlers und sagte: »Beruhigen Sie sich.« – »Es ist spät ... wir müssen rasch zurück«, entgegnete Weldein.
»Aber –!«
Mit einem Ruck hatte sich Weldein losgemacht und stürzte davon durch die menschenleeren Gassen, in rasender Eile. Der Graf folgte ihm unter lauten Rufen. Nach einigen Minuten war der junge Mann so
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