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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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weit, daß ihn sein Verfolger nicht mehr einholen konnte. Wohin war der Wahnsinnige nur gerannt? Am Ende wirklich zum Klub hin ... Und wieder beschleunigte der Graf seine Schritte. »Es wird vorübergegangen sein«, dachte er auf dem Wege. »Die plötzliche Aufregung ist wohl begreiflich. Aber wo ist er nur hin? Und werde ich ihn wirklich noch finden! Wenn er sich selbst ... Nein!« Und er eilte. Bald war er in die Nähe des Klubgebäudes gelangt. Da kam ihm der andere schon entgegen.
    »Da sind Sie ja, Weldein ... Nun?«
    »Oh, Herr Graf, Herr Graf!« Und der Ton seiner Stimme klang weinerlich.
    »Was ist Ihnen denn? Sie sind wieder ruhig. Nicht wahr?«
    »Oh, Herr Graf! Sehen Sie.« Und er leerte den Sand und die Steine aus seiner Tasche.
    »Nun?« fragte der andere erregt.
    »Sehen Sie denn nicht! Steine ... Sand!«
    »Ja ... Sie wissen es jetzt! Nicht wahr! Wie froh bin ich! Ich hatte wahrhaftig Angst um Sie! ... Nun ist es ja wieder gut.«
    »Oh, Herr Graf!«, und wieder jammerte er – »mein Geld, mein Geld!«
    »Nun ja – schlimm, freilich – es ist verloren!«
    »Verloren!«
    »Aber Sie haben anderes, Besseres als Geld.«
    »Mein Geld!«
    »Aber stille doch.« Es kamen Leute vorbei durch die nächtliche Straße und schauten sich um.
    »Ich hab' es vergraben! ich hab' es vergraben!«
    »Wie? Was fällt Ihnen denn wieder ein?«
    »Vergraben! Versteckt, und ich weiß nicht wo!«
    »Verspielt! Weldein ... Hören Sie doch, verloren haben Sie es im Klub!«
    »O nein, o nein, ich hab' soviel, soviel gewonnen! Und hab' es versteckt und weiß nicht wo. Oh, mein armes Weib! Mein Kind! Mein Franz!« Der Graf stand erschauernd da ... Ihm war, als wenn sich mit einem Male die Züge des Malers seltsam veränderten, als wäre es wirklich der alte Weldein, der da mit trockenen Augen in die Luft starrte und leise wimmerte: »Mein Sohn, mein armer Sohn!«

Arthur Schnitzler
Die drei Elixire

Er litt unendliche Qualen; nie konnte er sich mit einem Weibe glücklich fühlen, da die Zweifel ihn peinigten. Er mußte immer an die anderen denken, die dieses Weib vor ihm geliebt, die es nach ihm lieben würde. Und diese große, ewige Lüge marterte ihn, ohne die es nie abging, daß alles dahingeschwunden wäre wie ein Traum, daß sie nun erst in seinen Armen wüßten, was Leben und Liebe sei. Sie logen ihm eine Vergangenheit voll Irrtümer vor. Ach! sie hatten niemand gekannt – sie waren betrogen worden – sie hatten sich selbst betrogen – sie hatten ihn, ja nur ihn gesucht und waren unsäglich glücklich, da sie ihn endlich gefunden. Er aber hatte keine Ruhe; er mußte es wissen, wer vor ihm angebetet, wer vor ihm geschwelgt hatte – und er erbebte unter der Antwort, die ihm stets zuteil wurde: »Ich habe alles vergessen ...!« – Denn er empfand es in tiefster Seele: während sie so sprachen, zogen Bilder der Vergangenheit durch ihre Erinnerung wie durch die seine ... Er wollte Gewißheit – und darum zog er in jenes alte Wunderland, den Orient, wo für die Poeten, diese Wunderkinder der Erde, noch immer märchenhafte Blumen blühen, deren Geheimnis keinem andern kund wird ...

    Und nach langen, langen Fahrten hatte er die Blume gefunden, aus deren Säften er das herrliche Elixier bereitete. Das barg eine wunderbare, tückische Kraft. Wenn ein Tropfen davon über die Lippen eines Weibes kam, so mußten sie ihm das Bild nennen, das eben in ihrer Seele aufstieg ...
    Wie freudig war er heimgekehrt – nun nahte seiner Zweifel und seines Elends Ende. – Und er eilte zur Geliebten. In das erste Glas Wein, das sie an die Lippen führte, mengte er einen Tropfen seines Elixirs – da versank sie in Träume und schaute ins Leere mit matten, großen Augen. Er aber fragte sie bebend: »Woran erinnerst du dich?« – Und sie erwiderte: »An den großen blonden Mann, der mich geküßt hat, bevor ich dich kannte!« Da schauerte er zusammen – und er fragte nicht weiter; aber er verließ sie am nächsten Morgen.
    Und schon die nächste Frau, der er sich nahte, wagte er nicht zu fragen, obwohl er ihr von dem verräterischen Trank ins Glas gegossen. Sie saßen zusammen; er sah sie lächeln wie jene andere, aber er fragte nicht – er wollte glücklich sein. Als er jedoch mit ihr in das dämmerige Gemach schritt, wo er selig werden sollte, und die Bäume des Parkes hereingrüßten und die Frühlingswinde wehten, da konnte er nicht länger an sich halten, und er sprach: »Woran denkst du –?« Sie lächelte sehnsuchtsvoll: »Ach, des

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