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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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sie. – »Leider nicht«, erwiderte er. Und da er keinen Grund hatte, ihr seinen Namen zu verhehlen, so stellte er sich in aller Form vor. Sie nannte den ihren ganz beiläufig, und in dem leicht weiterfließenden Gespräch, ohne sich erst eindringlich fragen zu lassen, erzählte sie ihm allerlei von ihrem Leben. Sie gab Klavierlektionen; ihr Mann, ein Magistratsbeamter, war vor drei Jahren gestorben; und nun, verwitwet und kinderlos, wohnte sie in einer nahen Seitengasse, bei einer besseren Handwerkerfamilie. Im vergangenen Sommer hatte sie sich zum erstenmal nach ihres Mannes Tod drei Wochen Urlaub gegönnt, die sie in einer kleinen, wohlfeilen Sommerfrische nahe von Wien verbrachte. »Dort habe ich mich auch wieder verlobt«, setzte sie hinzu. »Es ist aber nichts draus geworden. Besser so«, schloß sie achselzuckend, als sei sie kein besseres Schicksal gewohnt und nie eines besseren wert gewesen als des ihr Geschiedenen. –
    Ein offener Einspanner trottete vorbei, der Kutscher schwang grüßend die Peitsche. Robert lud seine Begleiterin zu einer kleinen Spazierfahrt ein, sie stiegen ein, fuhren durch die Vorstadt weiter und dann unter dem Bahnviadukt hinaus auf die Laxenburger Straße, mit dem Blick auf die im Abend verdämmernde Hügelkette. Allmählich rückten sie näher aneinander. Als auf dem nahen Geleise ein Eisenbahnzug an ihnen vorbeisauste, nahm Robert Anlaß, von seiner eben verflossenen Reise zu erzählen, später brachte er das Gespräch auf die Musik, worauf sie ohne tieferes Interesse einging, da sie in ihrer Eigenschaft als Klavierlehrerin eben nur von den zufälligen Kenntnissen Gebrauch machte, die sie sich früher einmal, in besseren Lebensumständen als heute, zu erwerben Gelegenheit gehabt hatte.
    Die Sonne war gesunken, und es wurde empfindlich kühl. Robert ließ den Wagen der Stadt zuwenden. Sie redeten beide nicht mehr, und als er ihre Hand faßte, gab sie ihm den Druck mit unerwarteter Wärme zurück. In ihre müden Züge trat ein Schimmer von Freude, fast von Glück.
    In einem kleinen Gasthof, der Robert von ähnlichen Gelegenheiten her bekannt war, stieg er mit ihr ab, nahm ein Zimmer und bestellte ein Abendessen. Während sie es erwarteten, saß sie mit im Schoß gefalteten Händen auf dem blauen Plüschdiwan, und er, eine Zigarette rauchend, ging in dem bescheidenen, aber nett gehaltenen Raum auf und nieder. Über den Betten hingen zwei schlechte Öldrucke, italienische Landschaften mit Staffage vorstellend; rechts der Vesuv, über den Golf von Neapel Rauch und Feuerschein verbreitend, links eine Osteria in der römischen Campagna mit Fuhrleuten, rot und blau gekleideten, breit lachenden Mädchen, im Hintergrund ein Aquädukt mit zerbrochenen Säulen. Nie wird sie mehr von Italien wissen, dachte Robert, als was sie auf solchen Bildern zu sehen bekommt. Und mitleidsvoll-schuldbewußt streifte sein Blick ihren Scheitel. Sie saß noch immer ganz still da in ihrer hochgeschlossenen, etwas zerdrückten blaugetupften Leinenbluse. Ihre Haare waren dunkelblond und dicht, die Augen hell und groß, die Gesichtszüge aber sahen nun im gelblichen Licht des zweiarmigen Deckenlüsters noch verblühter aus als im Dämmerschein der Straße. Plötzlich blickte sie zu ihm auf, und einfach, beinahe trocken, sagte sie: »Sie sollen nicht schlecht von mir denken, aber ich bin wirklich so allein.« Ergriffen trat er näher zu ihr hin, legte die Hände um ihre Wangen und küßte sie auf den Mund.
    Bald nach Mitternacht, zum Fortgehen bereit, warf sie einen Blick nach dem gedeckten Tisch zurück, wo noch Reste des Abendessens standen, und sagte: »Darum ist es eigentlich schade.« – »Es wird morgen schon für andere aufgewärmt werden«, meinte er scherzend. Sie darauf: »Das könnte man wohl selbst besorgen, da doch alles bezahlt ist.« Und auf seinen befremdeten Blick hin: »Hast du etwas dagegen?« Er in einiger Verlegenheit: »Das wäre doch wirklich nicht nötig, mein Kind.« Und er fügte hinzu: »Verzeih, daß ich davon spreche, aber wenn ich dir – zur Verfügung stehen darf ...« Sie unterbrach ihn mit einer entschiedenen Handbewegung, doch ohne die Beleidigte zu spielen. »Danke«, sagte sie, und mit einem müden Lächeln: »Das sollst du doch nicht von mir glauben,« Sie öffnete ihre Notenrolle, die außer einigen ziemlich zerrissenen Notenheften ein paar Bogen Kanzleipapier enthielt, wickelte in einen davon das kalte Fleisch und steckte das Päckchen in die Tasche ihres Regenmantels. Dann

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