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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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verstehe dich nicht.« – »Gestern nacht, als ich grade ins Tor meines Gasthofs treten wollte, sah ich ihn gegenüber im Schatten der Kirche umherschleichen. Er hat mir aufgelauert, zweifellos. Du wirst fragen warum? Die Sache ist so einfach wie möglich. Eifersucht. Nachträglich erwachte Eifersucht.« – »Woraus schließt du aber –? Ist denn auch Alberta hier?« – »Das – das weiß ich nicht. Ich glaube es nicht recht. Wahrscheinlich ist sie drüben geblieben. Vielleicht hat er sie längst umgebracht.« – »Umgebracht?« Sie starrte ihn an. – Er erwiderte sachlich: »Warum nicht? So was kann sich ja ereignen, ohne daß es irgendwer erfahrt oder auch nur vermutet. Übrigens kommt das für uns nicht in Betracht. Wir wollen annehmen, daß sie lebt.« Er lachte. »Für mich, und wie ich hoffen möchte auch ein wenig für dich, ist nur wesentlich, daß er da ist und es auf mich abgesehen hat. Heute nacht bin ich ihm entkommen, es ist mir gelungen, ins Tor hineinzuschlüpfen, ohne daß er mich bemerkt hat. Die halbe Nacht ist er unten hin und her spaziert – vielleicht noch länger, ich weiß nicht, denn ich habe mich endlich schlafen gelegt.« – »Und heute morgen?« – »War er nicht zu sehen. Vorläufig. Und er denkt sich, daß ich ihm doch nicht entwischen kann. Aber darin soll er sich irren. Ich reise ab. Und du begleitest mich.«
    Er faßte sie ins Auge, sie nickte nur. »Von der Reise aus leite ich alles Weitere ein. Das wird nicht sonderlich schwer sein. Aber auf ein paar Tage oder Wochen will ich von hier verschwinden, denn es wäre doch lächerlich, sich einem Irrsinnigen auszuliefern. Oder hältst du das etwa für Feigheit?« – »Was fallt dir ein.« – »Und du mußt mit, Paula, du mußt mit mir kommen. Deiner Mutter darfst du es natürlich nicht vorher sagen. Du schreibst ihr ein Wort vom Bahnhof aus, das genügt. – Nun, Paula, warum antwortest du nicht? Reut es dich doch –?« – »Was sollte mich reuen?« – »Daß du mir versprochen hast, mit mir zu reisen. Sprich nur, gesteh. Jetzt regen sich doch gewisse bürgerliche Bedenken –?« – »Was fallt dir ein, Robert! Ich denke nur –« – »Was denkst du?« – »Ob es nicht klüger wäre, richtiger meine ich, wenn man versuchte, die Sache hier, an Ort und Stelle, in Ordnung zu bringen.« – »In Ordnung bringen? Wie stellst du dir das vor? Ich habe keine Zeit zu verlieren, und von dem, was ich dir jetzt anvertraut habe, darf niemand ein Wort erfahren, das könnte uns beiden das Leben kosten. Ja, dir auch. Verlaß dich nur ganz auf mich. Es ist alles wohlerwogen. Ich erwarte dich auf dem Westbahnhof. Punkt sechs Uhr fahrt unser Zug. Du mußt nicht viel mitnehmen. Um zehn Uhr abends kommen wir in dem Ort an, den ich vorläufig als Zuflucht gewählt habe.« – »An welchem Ort?« – »Sei nicht böse, wenn ich ihn nicht nenne. In der Zerstreutheit könntest du dich verraten. Vielleicht ist es auch Aberglaube. Du mußt es mir zugute halten, Paula. Schwör mir nur, daß du zur festgesetzten Stunde auf der Bahn bist, sonst ist alles umsonst. Ohne dich bin ich verloren. Auf jeden Fall. Das ist mein untrügliches Gefühl. Wenn du nicht dort bist, ist alles aus. Und – wenn du nicht allein kommst, auch. Versteh mich gut. – Also du bist auf der Bahn und wirst keiner Menschenseele eine Silbe verraten. Niemandem, Paula, niemandem.«
    Er wollte hinzufügen: auch meinem Bruder nicht – aber er ließ es sein. »Also, wirst du dort sein?« – »Natürlich werde ich dort sein.« Sie stand vor ihm, totenblaß und mit einem verzerrten Lächeln. Aber er merkte nicht, daß ihre Züge sich so seltsam verändert hatten.
    »Nun, so ist alles gut«, sagte er. »Und nun will ich fort, mein Geliebtes.« – »Schon fort?« wiederholte sie mit schwankender Stimme. – »Ich habe doch noch allerlei zu besorgen«, meinte er, »wenn es sich auch nur um eine Reise von ein paar Tagen handelt – also du mußt mich entschuldigen.« Er erhob sich, sie hielt seine Hände fest. »Soll ich dich nicht ein Stück Wegs begleiten?« – »Ich danke dir, Liebste, bleib nur daheim und benutze die Zeit lieber, um deine Sachen zusammenzurichten. Viel brauchst du natürlich nicht mitzunehmen auf die Reise; auf die Hochzeitsreise«, fügte er leise hinzu, sie heftig an sich ziehend. Er fühlte sie in seinen Armen ein wenig zittern und nahm es für bräutliche Erregung. »Auf Wiedersehen«, sagte er dann, küßte ihre kühlen Lippen, und mit einem vergnügten Nicken,

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