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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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Sinn, und vergeblich versuchte er, ihnen festere Gestalt zu geben. »Was ist dir denn?« fragte Paula.
    In diesem Augenblick kam ihm eine Eingebung, die ihm für seine Zwecke besonders glücklich dünkte. Und wie beiläufig warf er hin: »Was denkst du, wem ich heute begegnet bin? – Dem Bräutigam der jungen Dame, von der ich dir einmal erzählt habe.« – »Welcher jungen Dame? ... Du hast trotz deiner Diskretion immerhin schon von einigen gesprochen.« – »Ich spreche von der, mit der ich im letzten Sommer ein paar Wochen in der Schweiz verbracht habe.« – »Von Alberta? Du bist ihr begegnet?« – »Nicht ihr, ihrem Verlobten.« – »Dem Amerikaner?« – »Ganz richtig, dem Amerikaner.« – »Ihrem Mann also?« – »Wieso? Ah, freilich.« Er hatte ganz vergessen, daß er ihr von dem letzten Brief Albertens nichts erzählt hatte, aber er erkannte sofort, daß er diesen Umstand zugunsten seines Planes ausnutzen könnte. Und er sagte: »Ganz richtig, wenn er sie geheiratet hat, was ich wohl annehmen muß, so ist er jetzt ihr Mann. Daran hatte ich gar nicht gedacht.« – »So dürfte Alberta wohl auch in Wien sein?« – »Möglich. Gesehen habe ich nur ihn.« – »Auch gesprochen?« – »Nein, er hat mich gar nicht bemerkt. Er befand sich auf der anderen Seite der Straße.« Und rasch, als legte er der soeben von ihm erfundenen Begegnung keinerlei Bedeutung bei, brachte, er das Gespräch auf andere Dinge und sprach angelegentlichst von der Einrichtung ihrer künftigen Wohnung und von gewissen Anschaffungen für den zu gründenden Haushalt.
    Nach dem Abendessen entwarfen sie unter Beihilfe der Mutter eine genaue Liste aller nötigen Gegenstände und verabredeten endlich für den morgigen Tag zum Zweck dieser Einkäufe einen gemeinsamen Gang in die Stadt. Zu später Stunde erst verabschiedete sich Robert in anscheinend aufgeräumter Stimmung und glaubte auch den Rest von Unruhe aus Paulas Gemüt verschwunden.

XV

    Als Robert am nächsten Morgen aus seinem Zimmer trat, fand er seinen Bruder vor der Tür stehen. Robert fühlte sich erblassen, doch es gelang ihm, sein Erschrecken zu verbergen, und wie erfreut rief er aus: »Du bist's? Das ist aber wirklich sehr nett. Willst du nicht –« – »Du bist im Fortgehen«, sagte Otto. Er stand in der Tür; beide Hände in den Taschen seines Pelzes vergraben, mit einem allzu heiteren Gesicht. »Oh, es eilt nicht. Komm doch herein.« Und er schloß die Tür hinter Otto, der ihm ins Zimmer gefolgt war. »Ich wollte dich nämlich fragen«, begann Otto, »ob du vielleicht heute abend mit Paula und ihrer Mutter bei uns zu Abend essen möchtest?« – »Gern, sehr gern.« – »Und da wollte ich gleich die Gelegenheit benutzen und mir doch einmal dein Zimmer ansehen, das du ja nun nicht mehr lange bewohnen wirst.«
    Er betrachtete den Raum nach allen Seiten. »Ganz hübsch«, sagte er, trat zum Fenster, blickte auf die Heiligenstatue, in deren steinernen Falten gefrorener Schnee lag, und schien zu überlegen. Robert, auch im Überzieher, den Hut in der Hand, stand hinter ihm und hielt den Blick auf Ottos gesenkten grauen Kopf geheftet, der sich aus dem Pelzkragen hervorhob und ihm nun sonderbar fremd erschien, wie der eines müden alten Mannes, den er nicht kannte. Was hat dieser Besuch zu bedeuten? fragte er sich. Was will er hier? Flüchtig fuhr ihm durch den Sinn, ob Otto nicht etwa ein giftiges Pulver mitgebracht hätte, das sich im Raum verbreiten und später seine verderbliche Wirkung entfalten sollte! und er nahm sich vor, für alle Fälle nachher das Fenster zu öffnen. Plötzlich wandte Otto sich um, Robert verlieh seinem eigenen Blick einen unbefangenen Ausdruck und bemerkte, daß Ottos Augen sich leicht umschleierten. Gleich darauf trat Otto ganz nahe zu ihm hin und meinte lächelnd: »Du bist nun hoffentlich endgültig vernünftigt geworden.« – »Endgültig?« wiederholte Robert, für seinen Teil den scherzhaften Ton aufnehmend. »Das kann man ja nie wissen. Bei mir schon gewiß nicht. Und ist es denn gar so wünschenswert, vernünftig zu sein, endgültig vernünftig?« – »Meiner Ansicht nach doch wohl«, erwiderte der andere ernst, beinah hart. – »Das wäre noch zu beweisen«, entgegnete Robert eigensinnig. »Vielleicht bin ich sogar verrückt. Ich will es nicht in Abrede stellen. Aber wenn ich es bin, so fühle ich mich sehr wohl dabei. Und das ist doch die Hauptsache, nicht?« Es war ihm, als eröffnete sich ihm mit einemmal eine neue Aussicht

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