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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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als wäre das Ganze ein Spaß gewesen, verließ er das Zimmer.
    Er eilte die Treppen hinunter, in Angst, daß sie ihm nachrufen könnte; und auch auf der Straße schlug er einen raschen Schritt ein. Wird es wirklich nur auf Tage sein? fragte er sich. Halte ich es denn für möglich, daß Otto einfach durch die Tatsache meines Verschwindens wieder zur Vernunft kommen könnte? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, daß er meine Abreise als ein neues Zeichen in seinem Sinn deutet, daß er meinen Aufenthalt zu entdecken sucht, mich verfolgt oder verfolgen läßt und am Ende – findet?! Nein, das wird er nicht. Ich werde schlauer sein als er. Finden sollen sie mich nicht! Wie wär's, wenn ich einen Selbstmord vorspiegelte? Kein übler Einfall Doppelselbstmord. Ich und Paula. Wir lassen einen Brief zurück ... wie man es in solchen Fällen zu tun pflegt. Man würde sich nicht einmal sonderlich wundern. Niemand. Der Baron Prantner gewiß nicht. Auch Herr Kahnberg nicht. Und Otto am wenigsten. Er würde seine fixe Idee nur bestätigt finden. Ich hätte ihm eine Mühe erspart. So würde er sich die Sache zurechtlegen. Und er wäre der Sieger. Der Sieger? Ist es denn ein Kampf? Wollen wir einander denn überlisten? Ich muß es anders anstellen. Beweisen, ja beweisen muß ich seinen Wahnsinn. Ja. Darauf kommt es an. Sonst habe ich ja keine Ruhe mehr in der Welt. Wir können uns nicht auf Lebzeit verstecken, Paula und ich. Das wäre freilich das Schönste. Verschwinden, ein neues Leben beginnen, anderswo, unter einem anderen Namen womöglich – als ein anderer Mensch. Ja, wenn das durchzuführen wäre!
    Er stand vor dem Bankgebäude, wo der Rest seines kleinen Vermögens verwahrt lag, trat ein, ließ sich eine größere Summe ausfolgen und redete zu dem Beamten, der ihm persönlich bekannt war, in humoristisch-geheimnisvoller Weise von einer finanziellen Transaktion, die er vorzunehmen gesonnen sei. Er steckte das Geld zu sich, nahm eilig das Mittagmahl in einem kleinen Wirtshaus, das er vorher niemals betreten hatte, und vor zwei Uhr nachmittags war er in seinem Gasthof. Der Portier teilte ihm mit, daß ein Herr nach ihm gefragt habe, ohne eine Karte zu hinterlassen. Die oberflächliche Schilderung paßte am ehesten auf August Langer; auffallend war, daß, nach dem Bericht des Portiers, in einiger Entfernung ein zweiter Herr in einem Wagen gewartet hatte. War es so weit –? Er eilte die Treppe hinauf in sein Zimmer. Er zweifelte nicht daran, daß alles vorbereitet war, ihn zu vorläufiger Beobachtung in eine Anstalt zu bringen. Damit wäre sein Schicksal natürlich besiegelt. Jedenfalls war es Torheit, noch eine Viertelstunde länger hier zu verweilen, wo er seiner Freiheit, vielleicht seines Lebens nicht mehr sicher war. Er mußte den Gasthof sofort verlassen, wie zu einem Spaziergang, und mit einem früheren Zug abreisen, als er mit Paula verabredet hatte. Er steckte die allerwichtigsten Papiere zu sich, verschloß seine Schränke, verließ das Zimmer zehn Minuten, nachdem er es betreten, zündete sich in der Toreinfahrt eine Zigarette an und schlenderte langsam davon.
    In einer entfernteren Straße nahm er einen Wagen, besorgte auf dem Weg zur Bahn allerlei, was er für die nächsten Tage benötigte, auch eine Reisetasche, in die er das Eingekaufte packte, und war eine Viertelstunde vor Abgang des Dreiuhrzuges auf dem Bahnhof angelangt. Im Wartesaal warf er einige Zeilen für Paula aufs Papier. Aus Gründen, die er ihr erst mündlich auseinandersetzen könne, sei er schon einige Stunden früher abgefahren. Sie aber solle zur verabredeten Zeit Wien verlassen. Er wolle sie um zehn Uhr abends in der Station, die er ihr nun nenne und die sie bei Gefahr des Lebens niemandem verraten dürfe, erwarten. Er schloß mit den Worten: »Ich habe nicht Zeit, mehr zu schreiben. Du weißt alles. Laß mich nicht vergeblich warten. Geliebte, ich beschwöre dich nur, sei verschwiegen, mein, unser Leben steht auf dem Spiel.« Durch den Kutscher, der ihn an die Bahn geführt hatte, ließ er den Brief an Paula befördern. Und ein paar Minuten darauf saß er im Zug.

XVII

    An diesem grauumzogenen Dezembertage dunkelte es früh. Kaum war der Zug über die Vorstädte und die kleinen Villenorte hinausgeflogen, so setzte ein leichter, allmählich dichter werdender Schneefall ein, so daß Wald, Hügel, Landstraße und Dächer bald in einem linden, herzberuhigenden Weiß schimmerten. Robert hatte sich Zeitungen gekauft, und allein in seinem Abteil,

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