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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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so konnte alles in Ruhe überlegt und vorbereitet werden. Vorerst begab er sich ins Amt, wo er sich zeigen wollte, um keinerlei Verdacht zu erregen. Am Schreibtisch merkte er mit Verwunderung, daß die Arbeit sein Interesse so sehr in Anspruch nahm, als befänden sich alle übrigen Angelegenheiten für ihn in völliger Ordnung. Er schrieb einige Bemerkungen und Ergänzungen nieder, was ihm so leicht von der Hand ging, daß er fast bedauerte, seinen Entwurf vorläufig nicht zu Ende führen zu können. Mit dem Baron Prantner, der ihn gegen Mittag zu sich bescheiden ließ, besprach er eingehend gewisse Einzelheiten der Arbeit, erbat kurzen Urlaub, um sie zu Hause oder auf dem Land ungestört zu Ende bringen zu können, und es fiel ihm ein, daß er sie tatsächlich mit sich nehmen, vollenden und dann als vollgültigen Beweis für seine Gesundheit an das Ministerium absenden könnte.
    »Was ist Ihnen?« hörte er plötzlich wie in einem Traum die Stimme des Barons. Und, erwachend, fragte er sich sofort, ob sich seine geheimen Gedanken nicht in seinen Augen, seinen Mienen gespiegelt hätten? Doch der erschrockene Blick des anderen ließ ihn vermuten, daß hier schon früher ein Verdacht bestanden hatte. Eine Anzahl kleiner Vorkommnisse aus der allerletzten Zeit stieg in Roberts Erinnerung auf, denen er leichtfertigerweise keine Bedeutung beigelegt hatte; sonderbar lauernde Blicke seiner Amtskollegen, das plötzliche Verstummen eines Gesprächs zwischen dem Sektionschef und dem Hofrat, als er selbst unerwartet dazugetreten war. Und er bebte vor Scham und Angst in dem Gedanken, daß seine ganze Umgebung schon längst vor ihm als vor einem Geistesgestörten gewarnt sein mochte. – Ja, vielleicht war Otto in dieser Stunde bei Paula und senkte in ihr Herz den Keim des furchtbarsten Mißtrauens, um dann, wenn die Tat vollbracht war, gerechtfertigt, ja als Helfer, als Erlöser, vor ihr und den anderen dazustehen.
    »Was ist Ihnen?« fragte der Baron nochmals und legte die Hand auf Roberts Schulter.
    Eine rasche Überlegung sagte Robert, daß er sich aufs äußerste zusammennehmen müsse, um einen gefährlichen Verdacht nicht zu trügerischer Gewißheit werden zu lassen. Er strich sich über die Stirn und erwiderte ruhig: »Nichts, Herr Baron, nichts weiter als ein Kopfschmerz, ein fliegender Schmerz, der mich, wie zur Erinnerung an meine nervösen Zustände vom vorigen Jahr, manchmal zu überkommen pflegt. Es ist auch schon vorüber.«
    Sichtlich erleichtert atmete der Baron auf. »Nun, das ist ja gut«, sagte er. »Wir wollen hoffen, daß auf dem Land auch diese letzten Mahnungen endgültig schwinden werden ...«
    »Oh, ich bedarf keiner Erholung, Herr Baron, keineswegs. Der kurze Urlaub, den Herr Baron so gütig sind mir zu bewilligen, soll wirklich nur dazu dienen, meinen Entwurf, mit dessen letzter Fassung ich Ihre Geduld schon über Gebühr in Anspruch nehme, endlich abzuschließen.« Und mit einigen knappen und klaren Worten ergänzte er seine Ausführungen von vorher. Befriedigt nickte der Baron, und als Robert ihn endlich verließ, schien er den kleinen Zwischenfall vollkommen vergessen zu haben.

XVI

    Die Mittagsglocken läuteten durch die Stadt, während Robert auf dem kürzesten Weg zu Paula eilte. Sie schien erstaunt, sogar ein wenig erschrocken, als sie ihn zu so ungewohnter Stunde in ihr helles Zimmer treten sah. Der heitere Ausdruck, den er seinen Mienen zu verleihen gewußt hatte, beruhigte sie sichtlich, und er erkannte sofort, daß
sie
wenigstens noch nicht vor ihm gewarnt worden war. Für diesen Fall war er entschlossen gewesen, ihr sofort zu eröffnen, welch unheilvoller Wahn seines Bruders Geist umfangen hielt; nun durfte er damit noch zuwarten und konnte im übrigen seinen Einfall von gestern für seine Zwecke weiter nutzen. Er umarmte sie zärtlich, und in einem leidenschaftlichen Ton, der ihr nicht ungewohnt war, fragte er sie: »Könntest du dich entschließen, mit mir fortzufahren?« – »Fort?« – »Nur für ein paar Tage. Aufs Land.« – »Aufs Land? Mit – mit dir allein?« – »Ja, mit mir allein, mit mir ganz allein.« Er zog sie an sich. – »Ja, was ist denn geschehen?« fragte sie mit großen Augen. – »Vorläufig nichts. Ich habe dir doch gestern erzählt, daß der Amerikaner hier ist. Heute kann ich dir mehr sagen. Er ist um meinetwillen hier.« – »Um deinetwillen, was soll das bedeuten?« – »Nichts anderes, als daß er Schlimmes im Schilde fuhrt.« – »Schlimmes ...? Ich

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