Erzählungen
vergegenwärtigte, mußte ich gestehen, daß sie durchweg eine Reihe von Unvorsichtigkeiten gewesen sei, die ein Wahnsinniger ausführte, und die ich nicht hatte hindern können.
Möchte diese Erzählung einen doppelten Zweck erfüllen, indem sie ihre Leser interessirt und belehrt; die kühnen Schiffer der Luftbahnen aber möge sie nicht in ihren Forschungsreisen entmuthigen!
Ende .
Jules Verne
Martin Paz
I.
Eben verschwand die Sonne hinter den schneeigen Gipfeln der Cordilleren, doch unter Perus schönem Himmel sättigte sich die Atmosphäre durch den leichten Schleier der Nacht mit einer lichtschimmernden Frische. Das war die Stunde, in der man nach europäischer Art und Weise leben und außerhalb der Verandas einen erquickenden Lufthauch aufsuchen konnte.
Während die ersten Sterne am Horizonte aufzogen, füllten sich die Straßen Limas mit einer Menge Spaziergänger an, welche, in ihrem leichten Mantel dahin wandelnd, von den unbedeutendsten Dingen plauderten. Auf der Plaza-Mayor, dem alten Forum der Stadt der Könige, ging es sehr lebhaft zu. Die Handwerker benutzten die Abendkühle, um von der Arbeit des Tages zu ruhen, oder eilten geschäftig durch die Menge, wobei sie schreiend die Vorzüge ihrer Waaren anpriesen. Die Frauen schwebten, sorgfältig verhüllt in den langen Schleiern, welche auch ihr Gesicht verdecken, mit eigenthümlicher Grazie durch die Gruppen rauchender Männer. Einige Señoras in Balltoilette und mit reichem Haarschmucke aus lebenden Blumen brüsteten sich hingegossen in den offenen Wagen. Indianer streiften vorüber, ohne ein Auge zu erheben, da sie wohl wußten, daß sie zu niedrig geachtet wurden, um bemerkt zu werden, verriethen weder durch eine Geste, noch durch ein Wort das dumpfe Verlangen, welches sie verzehrte, und contrastirten dadurch merklich mit den ebenso wie sie selbst mißachteten Mestizen, deren Protest gegen ihre sociale Stellung sich gern möglichst geräuschvoll Luft machte.
Die Spanier, die stolzen Nachkommen Pizarro’s, gingen hoch erhobenen Hauptes umher, ganz wie zur Zeit, da ihre Vorfahren die Stadt der Könige gründeten. Ihre angeerbte Mißachtung traf die Indianer, welche sie besiegt hatten, aber die Mestizen, die Sprößlinge ihrer Beziehungen zu den Eingeborenen der Neuen Welt, darum nicht weniger. Die Indianer hatten, wie alle zur Dienstbarkeit verurtheilten Classen, nur den einen Gedanken, ihre Fesseln zu sprengen, und ihre Abneigung kannte zwischen den Besiegern des alten Inkathrones und den Mestizen, einer Art Bourgeoisie voll widerwärtigen Stolzes, keinen Unterschied.
Diese Mestizen aber, Spanier durch ihre Verachtung der Indianer, Indianer durch den Haß, den sie den Spaniern geschworen, verzehrten sich selbst zwischen diesen beiden gleich lebhaften Gefühlen.
Zu ihnen gehörte auch die Gruppe junger Leute, welche nahe der hübschen Fontaine in der Mitte der Plaza-Mayor umher flanirte. Den Puncho, eine Art viereckig zugeschnittenes Stück Baumwollenstoff mit einem Loche zum Durchstecken des Kopfes, malerisch über den Schultern, mit weiten buntgestreiften Beinkleidern und breitkrempigen Hüten aus Guayaquil-Stroh, plauderten sie, lachten und gesticulirten auf’s Lebhafteste.
»Du hast ganz recht, Andreas«, sagte ein kleiner Mann von kriechendem unterwürfigem Aussehen, den sie Millaflores nannten.
Dieser Millaflores war gleichsam der Parasit Andreas Certa’s, eines jungen Mestizen, des Sohnes eines reichen, bei einer der letzten Verschwörungen Lafuenta’s umgekommenen reichen Kaufmannes. Andreas Certa erbte ungeheure Reichthümer, die er freigebig zum Nutzen seiner Freunde verwendete, von welchen er nur unbedingte Willfährigkeit für seine Hände voll Gold verlangte.
»Was nützt dieser Wechsel der Machthaber, diese unaufhörlichen Pronunciamentos, welche Peru erschüttern? Ob Gambarra oder Santa-Cruz regiert, ist ja ganz unwichtig, so lange hier noch keine Gleichheit herrscht.
– Wohl gesprochen! Bravo! rief der kleine Millaflores, der selbst unter einer Herrschaft der Gleichheit einem geistvollen Menschen doch niemals gleich geworden wäre.
– Wie! fuhr Andreas Certa fort, ich der Sohn eines Handelsherrn, ich soll nur in einem mit Maulthieren bespannten Wagen fahren dürfen? Haben meine Schiffe diesem Lande nicht Reichthum und Wohlfahrt gebracht? Ist die nützliche Aristokratie des Geldes nicht mindestens ebenso viel werth, als die der inhaltlosen spanischen Titel?
– O, es ist eine Schmach! antwortete ein junger Mestize,
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