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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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und dort, seht einmal diesen Don Fernando, der in seiner Carrosse mit zwei Pferden vorüberfährt! Don Ferdinand d’Aguillo! Er weiß kaum, womit er seinen Kutscher füttern soll, und brüstet sich hier wie ein Pfauhahn! Da ist auch noch ein Anderer, der Marquis Don Vegal!«
    Ein prächtiges Gespann lenkte eben auf die Plaza-Mayor ein; es war das des Marquis Don Vegal, Ritter von Alcantara, Malteser und Ritter des Ordens Karl’s III. Der große Herr kam aber aus reiner Langeweile, nicht aus Prahlsucht hierher. Traurige Gedanken wohnten unter seiner tief gerunzelten Stirn, und er hörte nicht einmal die mißgünstigen Bemerkungen der Mestizen, als seine feurigen vier Hengste sich einen Weg durch die Menschenmenge brachen.
    »Ich hasse diesen Mann! sagte Andreas Certa.
    – Wirst es nicht mehr lange nöthig haben! antwortete einer der jungen Cavaliere.
    – Nein, denn alle diese Vornehmen strahlen nur noch im letzten Schimmer ihres Luxus, und ich weiß es recht gut, wohin ihr Silberzeug und ihre Familienkleinodien wandern.
    – Ja wohl! Du weißt etwas davon, Du, der das Haus des Juden Samuel so fleißig besucht.
    – Und dort, in den Schuldbüchern des alten Juden prangen die Namen jener Aristokraten, und sein Geldkasten strotzt von den Resten ihrer Schätze. Und von dem Tage ab, wo diese Spanier so bettelarm sein werden, wie ihr Cäsar von Bazan, werden wir gewonnenes Spiel haben.
    – Vorzüglich Du, Andreas, ließ sich Millaflores vernehmen, wenn Du Deine Millionen in’s Treffen führst. Und Du wirst Deine Schätze noch verdoppeln! … Nun, wann wirst Du die schöne Tochter des alten Samuel heiraten, die doch eine Limenserin ist vom Scheitel bis zur Zehe und nichts Jüdisches an sich hat außer ihrem Namen Sarah?
    – Nach einem Monat, antwortet Andreas Certa, und nach einem Monat wird es in Peru keinen Reichthum geben, der sich mit dem meinen messen könnte!
    – Warum aber, fragte einer der jungen Mestizen, willst Du nicht eine der jungen Spanierinnen von hoher Abkunft heiraten?
    – Weil ich diese Art Leute nicht weniger verachte, als ich sie hasse!«
    Andreas Certa wollte es nicht zugestehen, daß er von mehreren vornehmen Familien, bei denen er sich Zutritt zu verschaffen gesucht hatte, jämmerlich abgewiesen worden war.
    In diesem Augenblicke wurde Andreas Certa von einem hochgewachsenen Manne mit halbergrauten Haaren, dessen Gliedmaßen aber eine große Muskelkraft verriethen, heftig mit dem Ellenbogen gestoßen.
    Dieser Mann, ein Indianer aus den Bergen, trug eine braune Jacke, aus der ein grobleinenes Hemd mit breitem Kragen hervorsah, das über seiner rauhen Brust offen stand; seine kurzen Beinkleider mit grünen Streifen endigten mit rothen Kniebändern über den erdfarbenen Strümpfen; an den Füßen trug er Sandalen aus Büffelleder, und sein spitziger Hut erglänzte von großen, metallenen Schnallen.
    Nachdem er Andreas Certa gestoßen, sah er diesen auch noch ruhigen Blickes an.
    »Elender Indianer!« rief der Mestize und erhob schon die Hand.
    Seine Gefährten hielten ihn zurück, und Millaflores warnte:
    »Andreas! Andreas! Nimm Dich in Acht!
    – Ein solcher erbärmlicher Sklave wagt es, mich zu stoßen.
    – Das ist ja ein Narr! Es ist der Sambo!«
    Der Sambo fixirte den Mestizen, den er absichtlich gestoßen hatte, noch immer. Dieser ergriff in überschäumendem Zorne einen Dolch, den er im Gürtel trug, und wollte sich eben auf seinen Angreifer stürzen, als ein Kehllaut, ähnlich dem des peruanischen Hänflings, den Lärm der Spaziergänger übertönte und der Sambo eilig verschwand.
    »Ebenso unverschämt, als feig! rief ihm Andreas Certa nach.
    – Beruhige Dich, sagte begütigend Millaflores. Komm, wir wollen die Plaza-Mayor verlassen; die Frauen aus Lima sind hier zu hochmüthig.«
    Die Gesellschaft junger Leute wandte sich nach dem Hintergrunde des Platzes. Die Nacht war gekommen, und die Limenserinnen verdienten mit Recht den Namen »
tapadas
« 1 , denn unter dem sie dicht bedeckenden Schleier war man nicht mehr im Stande, ihr Gesicht zu erkennen.
    Die Plaza-Mayor zeigte sich jetzt belebter als je. Das Schreien und Lärmen wurde immer ärger. Die berittenen Wachen vor dem Mittelthore des viceköniglichen Palastes am Nordende des Platzes hatten Mühe, mitten in diesem Gewoge und Gedränge von Menschen auf ihrem Posten auszuharren. Die verschiedensten Industrien schienen sich hier ein Rendezvous zu geben, und der ganze Platz bildete vielmehr einen ungeheuren Krammarkt von Waaren jeder

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