Erzählungen
von allen Seiten um uns zusammen, und furchtbare Detonationen, die in der Wölbung des Aërostaten widerhallten, krachten um uns.
»Sie werden es so weit treiben, daß ich ungeduldig werde! rief mein Reisegefährte; ich lasse Sie von nun an nicht mehr wissen, wann wir steigen oder fallen.«
Und das Barometer nebst mehreren Sandsäcken wurden dem Compaß nachgeschleudert. Wir mußten letzt 5000 Meter hoch sein. An den Wänden der Gondel hafteten bereits einige Eisstücke, ein seiner Schnee fiel auf uns nieder und erkältete mich bis auf’s Mark. Und doch donnerte ein starkes Gewitter tief unter uns.
»Fürchten Sie nichts, redete mir der Unbekannte zu. Nur Unvorsichtige kommen auf Luftreisen um. Olivari z.B., der in Orleans verunglückte, stieg in einer Montgolfière von Papier empor. Natürlich wurde seine Gondel, die unter dem Kohlenbecken hing und mit brennbaren Stoffen angefüllt war, ein Raub der Flammen. Olivari stürzte und fand seinen Tod! Mosment erhob sich in Lille, und zwar auf einer leichten Scheibe; in Folge einer kleinen Schwankung fiel er auf den Erdboden herab und fand seinen Tod! Bittorf in Mannheim sah, wie sein aus Papier gefertigter Ballon in der Luft Feuer fing; Bittorf fiel und fand seinen Tod! Harris stieg in einem schlecht construirten Ballon auf; die Klappe war viel zu groß und ließ sich nicht wieder schließen. Harris stürzte herab und fand seinen Tod! Sadler war durch eine sehr lange Fahrt all seines Ballasts beraubt worden; die Strömung riß ihn über Boston hinweg und schleuderte ihn an die Schornsteine; so fiel auch er und fand seinen Tod! Coking wollte mit einem Fallschirm, den er als eine Vervollkommnung ausgab, herabsteigen; derselbe überschlug sich jedoch, und Coking fand seinen Tod! Ich habe mich immer für diese Opfer der Unvorsichtigkeit interessirt; ich liebe sie und will sterben, wie sie gestorben sind, Höher! Höher!«
Ich sah alle Schreckbilder dieses Nekrologs vor meinen Augen vorüber ziehen Die Verdünnung der Luft und die Sonnenstrahlen beförderten die Ausdehnung des Gases, und so stieg der Ballon noch immer. Ich ergriff mechanisch das Seil, um die Klappe zu öffnen, aber der Unbekannte sprang hinzu und hieb es einige Fuß über meinem Haupte durch… Ich war verloren!
»Haben Sie mit angesehen, wie Madame Blanchard fiel? fragte er nun. Ich war zugegen und beobachtete Alles mit diesen, meinen eigenen Augen. Madame Blanchard stieg am 6. Juli 1819 in Tivoli auf und zwar, aus Sparsamkeit, in einem sehr kleinen Ballon, den sie seines geringen Umfangs wegen bis obenhin füllen mußte. Auch strich das Gas durch den unteren Ansatz und ließ einen förmlichen Streifen von Hydrogen hinter sich zurück. Madame Blanchard hatte eine Art künstliche Strahlenkrone, die an einem Eisendraht unter ihrem Ballon hing, mitgenommen, um sie unterwegs in Brand zu stecken; sie hatte dieses Experiment bereits zu verschiedenen Malen ausgeführt. Außerdem war sie an dem genannten Tage noch mit einem kleinen Fallschirm versehen, der eine Kugel mit Feuerwerk und Silberregen trug. Madame Blanchard sollte diesen Apparat mit einer Feuerlanze, die eigens zu diesem Zweck gefertigt war, anzünden und sie dann fortschleudern. Die Dame stieg in finsterer Nacht empor, aber als sie ihr Feuerwerk in Brand stecken wollte, beging sie die Unvorsichtigkeit, die Feuerlanze unter der Hydrogensäule, die aus dem Ballon entwich, vorbei zu führen. Ich hielt meine Blicke fest auf sie gerichtet und sah, wie plötzlich ein unerwarteter Lichtschein die Finsterniß erhellte. Zuerst vermuthete ich eine Ueberraschung der geschickten Aëronautin; der Schein vergrößerte sich, verschwand dann und zeigte sich plötzlich wieder in Gestalt eines ungeheuren, brennenden Gasstrahles an der Spitze des Luftschiffs. Die unheilkündende Flamme warf ihren Schein auf den Boulevard und das ganze Viertel des Montmartre. Ich sah, wie die unglückliche Frau sich erhob und zwei Mal versuchte, den Ansatz des Ballons zusammen zu drücken, um das Feuer zu löschen. Als sie sah, daß dies ohne Erfolg blieb, suchte sie ihr Absteigen zu lenken, denn sie fiel nicht; die Gasverbrennung dauerte mehrere Minuten, während der Ballon immer mehr zusammen schrumpfte und langsam sank. Der Wind wehte aus Nord-West und warf das Luftschiff nach Paris zurück. In der Rue de Provence, neben dem Hause Nr. 16, befanden sich damals große Gärten, und die Aëronautin hätte ohne Gefahr herabsinken können; das Verhängniß wollte es anders. Ballon und
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