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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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konnte sich des Gedankens nicht erwehren, daß die ihr so theure Existenz des Vaters zu einer Maschine geworden sei, die sich nur noch mühsam in ihren Zapfen bewegte.
    Plötzlich wurde der Laden von einem heftigen Windstoß laut gegen das Fenster geschlagen. Gérande schrak zusammen und stand in plötzlicher Bewegung auf, ohne jedoch, wie es schien, die Ursache des Lärms, der sie aus ihrer Starrheit aufrüttelte, zu begreifen. Sobald sie ihren Schrecken einigermaßen bemeistert hatte, öffnete sie einen Fensterflügel und spähte hinaus, die Wolken hatten sich auseinander gethan, und ein heftig strömender Regen rasselte auf die Dächer hernieder. Das junge Mädchen bog sich weit hinaus, um den vom Winde hin und her geschleuderten Laden heranzuziehen; aber sie fürchtete sich. Es schien ihr, als ob der Regen und der Strom ihre entfesselten Wasser mit einander vermischten, um dies gebrechliche Haus, das in allen Fugen erkrachte, in den Grund zu bohren. Sie dachte daran, ihr Zimmer, in dem es ihr immer unheimlicher wurde, zu verlassen, da bemerkte sie unter sich den Schein eines Lichtes und sagte sich, daß derselbe aus dem Fenster ihres Vaters fallen wußte. Und jetzt, als eine augenblickliche Stille im Tosen der Elemente eintrat, klangen deutliche Klagetöne zu ihr empor. Noch ein Mal machte sie den Versuch, den Laden heranzuziehen, aber es wollte ihr nicht gelingen; der Sturm schlug ihn heftig wieder zurück und fegte wirbelnd in das Zimmer, wie ein Verbrecher, der mit Gewalt in eine Wohnung einzudringen sucht.
    Gérande meinte vor Schrecken und Angst wahnsinnig zu werden; was that ihr Vater noch jetzt? Sie öffnete ihre Zimmerthüre, um hinauszulauschen, aber der Sturm entriß sie sofort den schwachen Mädchenhänden und warf sie lärmend hinter Gérande in’s Schloß.
     

    Das junge Mädchen betete für die Seele ihrer Mutter. (S. 95.)
     
    Sie befand sich jetzt in dem dunkeln Eßsaal, tastete sich mühsam nach der Treppe, die nach der Werkstätte führte, und glitt todtesbleich und zitternd vor Angst und Besorgniß hinein.
    Der alte Uhrmacher stand hoch aufgerichtet mitten in dem Zimmer, das von dem Brausen und Grollen des Stromes wiederhallte, sein emporsträubendes Haar gab ihm ein unheilkündendes Aussehen, und er gesticulirte und sprach lebhaft vor sich hin, ohne irgend etwas, das um ihn her vorging, zu sehen oder zu hören. Gérande blieb athemlos auf der Schwelle stehen.
    »Das ist der Tod! rief Meister Zacharius jetzt, das ist der Tod!… was soll ich noch leben, jetzt, da mein Sein und Wesen durch die ganze Welt hingegangen ist! denn ich, Meister Zacharius, bin wirklich und wahrhaftig der Schöpfer all der Uhren, die aus meiner Hand hervorgegangen sind. Ich habe in jedes dieser Gehäuse von Gold, Silber oder Eisen einen Theil meines Selbst eingeschlossen, und jedes Mal, wenn eine dieser verdammten Uhren stehen bleibt, fühle ich, daß die Schläge meines Herzens stocken, denn nach seinen Pulsschlägen habe ich sie regulirt!«
    Und während der Greis in dieser wunderlich wilden Weise fortfuhr zu phantasiren, schaute er auf seinen Arbeitstisch, wo alle Theile einer Uhr, die er sorgfältig auseinander genommen hatte, ausgebreitet lagen. Er nahm jetzt eine Art hohlen Cylinder, Federhaus genannt, weil die Feder darin eingeschlossen ist, und zog die stählerne Spirale daraus hervor; aber diese blieb, anstatt nach den Gesetzen ihrer Elasticität abzuschnappen, zusammengerollt wie eine schlafende Viper. Sie schien gichtisch, wie ein ohnmächtiger Greis, dessen Blut zuletzt gerinnt. Meister Zacharius versuchte umsonst mit seinen hageren, abgezehrten Händen, deren Schattenbild sich in großen Dimensionen an der Wand verlängerte, die Spirale aufzurollen; es wollte ihm nicht gelingen, und bald schleuderte er sie mit einem furchtbaren Zornesschrei durch die Klappe im Fußboden in den Strudel der Rhone.
    Gérande stand unbeweglich, wie wenn ihre Sohlen an die Erde festgebannt wären; sie wollte sich ihrem Vater nähern, wagte es aber nicht, und schwindelnde Bilder umgaukelten sie und drohten ihr die Besinnung zu rauben. Da plötzlich flüsterte ihr eine Stimme in’s Ohr:
    »Gérande, meine liebe Gérande! der Kummer hat Sie nicht schlafen lassen; kehren Sie um, ich bitte Sie; die Nacht ist kalt und stürmisch!
    – Aubert? Sie? Sie hier? sprach das junge Mädchen halblaut.
    – Mußte mich nicht beunruhigen, was Ihnen Kummer macht?« entgegnete Aubert.
    Als das junge Mädchen diese liebevollen Worte hörte,

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