Erzählungen
folgte ihnen mit den Augen, bis sie im Nebel verschwanden. Die Nacht kam heran, und das Meer ging immer höher. Die Jeune-Hardie lief, von den in diesen Breiten herrschenden Strömungen angezogen, Gefahr, vom Maëlstrom verschlungen zu werden, und sah sich genöthigt, vor dem Winde zu fliehen. Es war vergebens, daß sie mehrere Tage an dem Orte des Unheils kreuzte: die Schaluppe der Brigg sowohl, wie der Schooner und Kapitän Ludwig nebst den beiden Matrosen blieben verschwunden. André Vasling versammelte nun die Mannschaft, ergriff den Oberbefehl über das Schiff und segelte nach Dünkirchen zurück.«
Als Johann Cornbutte diese Erzählung, die mit der trockenen Kürze eines einfachen See-Erlebnisses in das Schiffsbuch eingetragen war, gelesen hatte, konnte er seine Thränen nicht zurückhalten; er weinte lange und schmerzlich, und wenn irgend etwas ihm Trost geben konnte, so war es der Gedanke, daß sein Sohn das Opfer seines Edelmuths geworden war. Der Anblick des Schiffes, der ihn zuerst mit so großer Freude erfüllt hatte, verursachte dem armen Vater Schmerz, und so kehrte er in sein verödetes Haus zurück.
Bald verbreitete sich die Trauerkunde in ganz Dünkirchen, und die zahlreichen Freunde des alten Seemanns fanden sich ein, um ihm ihr lebhaftes, herzlich gemeintes Beileid zu bezeugen. Sodann gaben die Matrosen von der Jenne-Hardie die genauesten Details über das Ereigniß, und Marie ließ sich von André Basling die Aufopferung ihres Bräutigams mit allen Einzelheiten erzählen.
Der Obersteuermann theilte Johann Cornbutte das Ereigniß mit.(S. 175.)
An dem folgenden Tage, als Johann Cornbutte seine Thränen getrocknet hatte, beschied er André Basling in sein Zimmer und sprach:
»Sind Sie fest überzeugt, daß mein Sohn umgekommen ist, André?
– Leider ja, Herr! antwortete der Obersteuermann.
– Und haben Sie alle nur möglichen Anstrengungen gemacht, um ihn wieder aufzufinden?
– Gewiß! wie können Sie daran zweifeln, Herr Cornbutte! Es ist aber leider nur zu gewiß, daß er und seine beiden Matrosen vom Strudel des Maëlstroms verschlungen sind.
– Wollen Sie die Obersteuermannschaft bei meinem Schiffe noch ein Mal annehmen, André?
– Das würde davon abhängen, wer der Kapitän ist, Herr Cornbutte.
– Der werde ich sein, André; ich will mit möglichster Eile mein Schiff ausladen, meine Mannschaft zusammenbringen und in See stechen, um nach meinem Sohn zu suchen, erwiderte der alte Seemann.
– Ihr Sohn ist todt! bemerkte nachdrücklich André Vasling.
– Das ist möglich, André, versetzte Johann Cornbutte lebhaft; aber es ist auch eine Möglichkeit, daß er sich gerettet hat. Ich bin fest entschlossen alle Häfen Norwegens zu durchsuchen, in die er getrieben werden konnte, und erst wenn ich die Gewißheit erlangt habe, daß ein Wiedersehen mit ihm auf dieser Erde nicht mehr zu hoffen ist, will ich zurückkehren, um hier zu sterben.«
Als André sah, wie unumstößlich die Entscheidung des Seemanns war, drängte er nicht mehr und zog sich zurück.
Johann Cornbutte ließ alsbald seine Nichte wissen, welchen Entschluß er gefaßt hatte, und sah, wie ein Hoffnungsstrahl durch ihren Kummer brach. Das junge Mädchen war bis jetzt noch nicht darauf gekommen, daß der Tod ihres Bräutigams in Zweifel gezogen werden könnte, aber kaum hatte Cornbutte diesen Gedanken gegen sie ausgesprochen, als sie sich demselben rückhaltlos hingab.
Der alte Seemann beschloß, daß die Jeune-Hardie alsbald wieder auslaufen sollte. Die fest gebaute Brigg hatte sich mit keinen Ausbesserungsarbeiten aufzuhalten, und so machte Johann Cornbutte bekannt, daß die Mannschaft ganz dieselbe bleiben solle, wenn die Matrosen nichts dawider hätten, die Fahrt noch einmal mitzumachen; an die Stelle seines Sohnes als Commandeur des Schiffes gedenke er selbst zu treten.
Nicht ein Einziger von Ludwig Cornbutte’s Begleitern zog sich bei diesem Aufruf zurück, und so fanden sich lauter muthige, erprobte Matrosen, wie Alain Turquiette, der Zimmermann Fidèle Misonne, der Bretagner Penellan als Untersteuermann und Vertreter Pierre Nouquet’s, und außerdem Gradlin, Anpic, Gervique an Bord der Jeune-Hardie ein.
Johann Corubutte schlug André Vasling noch ein Mal vor, seine Stelle an Bord wieder einzunehmen. Der Obersteuermann war ein geschickter, in der Führung eines Schiffes wohl erfahrener Mann, der seine Probe rühmlich bestanden hatte, indem er die Jeune-Hardie sicher in den Hafen zurück geleitete.
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