Erzählungen
André Basling machte indessen, aus welchen Gründen konnte man nicht errathen, allerlei Schwierigkeiten und erbat sich Bedenkzeit.
»Nun, wie Sie wollen, André, erwiderte ihm Cornbutte; aber vergessen Sie nicht, daß Sie uns willkommen sind.«
Johann Cornbutte hatte in dem Bretagner Penellan einen treu ergebenen Mann, der lange Jahre hindurch sein Reisegefährte gewesen war. Die »kleine Marie« hatte so manchen Winterabend auf den Knieen des Untersteuermanns gesessen, wenn er an Land gewesen war, und er hatte eine väterliche Freundschaft für sie bewahrt, während Marie mit kindlicher Liebe an ihm hing. Penellan beeilte die Ausrüstung der Brigg, so sehr es ihm möglich war, und um so mehr, als er zu glauben schien, daß André Vasling nicht die äußersten Anstrengungen gemacht habe, um die Schiffbrüchigen wieder aufzufinden; andererseits aber war dieser durch die Verantwortlichkeit, die auf ihm als Kapitän lag, wohl zu entschuldigen.
Noch waren nicht acht Tage verflossen, da war die Jeune-Hardie wieder in Bereitschaft, um von Neuem in See zu stechen. Anstatt mit Waaren, hatte man sie auf’s Vollständigste mit gesalzenem Fleisch, Schiffszwieback, Mehlfässern, Kartoffeln, Schweinefleisch, Wein, Branntwein, Kaffee, Thee und Tabak verproviantirt.
Die Abreise wurde auf den 22. Mai anberaumt. Am Abend zuvor begab sich André Vasling, von dem Johann Cornbutte noch immer keinen definitiven Bescheid erhalten hatte, in die Wohnung des Alten. Er war noch immer unentschieden und mit sich uneins, welchen Entschluß er fassen solle.
Johann Cornbutte war nicht daheim, obgleich die Thüre zu seinem Hause offen stand, und so drang André Basling bis in das gemeinsame Wohnzimmer vor, an das unmittelbar Mariens Stube grenzte. Das Wohnzimmer war, wie sich André sofort überzeugte, leer; aber von nebenan ertönte eine lebhafte Unterhaltung, und als er aufmerksam hinhorchte, erkannte er die Stimme des jungen Mädchens und Penellan’s.
Ohne allen Zweifel hatte sich die Erörterung schon längere Zeit hingezogen, denn Marie schien den Bemerkungen des bretagnischen Seemannes eine unerschütterliche Festigkeit entgegenzusetzen.
»Wie alt ist Onkel Cornbutte? fragte Marie.
– So etwa sechzig Jahre, antwortete Penellan.
– Begiebt er sich nicht in große Gefahr, um seinen Sohn aufzusuchen?
– Unser Kapitän ist noch ein durch und durch kräftiger Mann, versetzte Penellan; sein Körper ist fest wie Eichenholz, und er hat Muskeln, so hart wie eine Reservestenge. Mir ist nicht davor bange, daß er letzt wieder in See geht.
– Ach, mein guter Penellan, wenn man liebt, ist man stark, erwiderte Marie; was mich angeht, so habe ich mein ganzes Vertrauen auf Gott gesetzt; er wird uns beistehen!
– Es ist unmöglich, Marie! rief letzt der Angeredete; wer kann wissen, wohin wir auf unserer Fahrt verschlagen werden, und was wir erdulden müssen! Wie oft habe ich erlebt, daß kräftige Männer ihr Leben in diesen Meeren lassen mußten!
– Penellan, ich kann nicht anders, sagte schließlich das junge Mädchen; es wird geschehen, ob Sie dagegen sind oder nicht. Wenn Sie aber in dieser Beziehung gar so sehr gegen mich ankämpfen, muß ich glauben, daß Sie mich nicht mehr lieb haben!«
André Vasling hatte nun begriffen, was Marie beabsichtigte. Er dachte noch einen Augenblick nach; dann war auch seine Entscheidung getroffen.
Er trat dem alten Seemann, der eben jetzt nach Hause kam, entgegen und sagte:
»Ich melde mich zu Ihrer Mannschaft, Johann Cornbutte; die Gründe, von denen ich bis jetzt zurückgehalten wurde, sind beseitigt, und so können Sie auf mich und meine Ergebenheit zählen.
– Ich habe niemals an Ihnen gezweifelt, André Vasling, erwiderte Cornbutte, indem er die Hand des Obersteuermanns ergriff. Marie! mein Kind!« rief er dann mit lauter Stimme.
Marie sowie auch Penellan erschienen sofort.
»Morgen mit Tagesanbruch werden wir mit eintretender Ebbe absegeln, sagte der alte Mann. Es ist dies also der letzte Abend, den wir mit einander verleben, mein liebes Kind!
– Ach, mein guter Onkel! rief Marie und schmiegte sich an Johann Cornbutte.
– Nun, Marie, mit Gottes Hilfe gedenke ich Dir Deinen Bräutigam zurück zu führen!
– Ja, wir werden den Kapitän Ludwig wiederfinden! fügte André Vasling zuversichtlich hinzu.
– So werden Sie mit uns in See gehen? fragte lebhaft Penellan.
– Ja, Penellan; André Basling fährt als unser Obersteuermann mit, erwiderte statt seiner Johann Cornbutte..
– So!
Weitere Kostenlose Bücher