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Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Titel: Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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Blödsinn. Das ist eure Agitation. Seine Ratgeber waren Juden. Iuda Grossman-Roschtschin. Ein Baron. Ich bin ein einfacher Soldat mit MG-Wagen. Ich gehörte zu den Zweitausend, die der Batko nach Rumänien geführt hat. In Rumänien gefiel es mir nicht. Ein Jahr später ging ich wieder über die Grenze. Sie gaben mir drei Jahre Verbannung, ich kam zurück, war in einer Kolchose, siebenunddreißig haben sie mich eingesackt …«
    »Prophylaktische Inhaftierung? Eben die ›fünf Jahre ferne Lager‹.«
    Rjabokons Brustkorb war rund und gewaltig – die Rippen standen hervor wie Reifen am Fass. Wenn Rjabokon früher als Peters gestorben wäre, hätte man wohl aus dem Brustkorb des Machno-Manns Reifen für das Fass machen können – für das Todesbad des Letten nach dem Rezept von Doktor Jampolskij.
    Die Haut spannte über dem Skelett – der ganze Rjabokon sah aus wie ein Lehrmittel für das Studium der topographischen Anatomie, wie ein folgsames lebendiges Lehrmittelgerippe, nicht wie ein Modell. Er sprach nicht viel, aber fand noch die Kräfte, sich vor dem Durchliegen zu schützen, indem er sich im Bett drehte, aufstand, herumging. Die trockene Haut schuppte sich am ganzen Körper, und die blauen Flecken künftiger Druckgeschwüre zeichneten sich an den Hüften und im Kreuz ab.
    »Also, ich komme an. Wir sind zu dritt. Machno auf der Vortreppe. ›Schießen kannst du?‹ ›Kann ich, Batko!‹ ›Dann sag mal, wenn dich drei Mann überfallen, was wirst du tun?‹ ›Ich denke mir etwas aus, Batko!‹ ›Das hast du richtig gesagt. Wenn du gesagt hättest, ich lege sie alle um – hätte ich dich nicht in meine Einheit genommen. Eine List muss man anwenden, eine List.‹ Und übrigens, was reden wir über Machno. Immerzu Machno und Machno. Der Ataman. Wir alle werden sterben. Ich habe gehört – er ist gestorben …«
    »Ja. In Paris.«
    »Gott habe ihn selig. Es ist Zeit zu schlafen.«
    Rjabokon zog die verschlissene Decke über den Kopf, entblößte die Beine bis zu den Knien und schnarchte.
    »Hörst du …«
    »Ja?«
    »Erzähl von Maruska , von ihrer Bande.« Rjabokon hatte die Decke vom Gesicht gezogen.
    »Was denn? Eine Bande halt. Mal mit uns, mal mit euch. Sie ist eine Anarchistin, Maruska. Zwanzig Jahre war sie in der
katorga
. Ist aus dem Moskauer Nowinskij-Gefängnis geflohen. Slaschtschow hat sie erschossen auf der Krim. »Es lebe die Anarchie!«, rief sie und starb. Weißt du, wer sie war? Nikiforowa hieß sie mit Nachnamen. Ein echter Hermaphrodit. Hast du gehört? Na, schlafen wir.«
    Als die fünf Haftjahre des geborenen Machno-Manns vorbei waren, kam Rjabokon frei ohne Anrecht auf Ausreise von der Kolyma. Aufs Festland ließ man ihn nicht fahren. Der Machno-Mann musste als Ladearbeiter im selben Lagerhaus arbeiten, in dem er fünf Jahre im Rang eines
seka
geschuftet hatte. Als Freier, als freier Mann im selben Lagerhaus, auf derselben Arbeit. Das war eine unerträgliche Beleidigung, eine Ohrfeige, eine Backpfeife, die nur wenige aushielten. Von den Spezialisten natürlich abgesehen. Für die anderen Häftlinge ist das die wichtigste Hoffnung: Etwas wird sich ändern, wird sich wenden mit der Entlassung. Abreise, Abtransport, ein Ortswechsel können auch beruhigen und retten.
    Der Arbeitslohn war gering. Aus dem Lagerhaus stehlen wie früher? Nein, Rjabokon hatte andere Pläne.
    Zusammen mit drei ehemaligen Häftlingen ging Rjabokon »ins Eis« – er floh tief in die Tajga. Sie bildeten eine Banditenbande – alles
frajer
, die der kriminellen Welt fernstanden, aber die Luft dieser Welt für einige Jahre geatmet hatten.
    Das war die einzige Flucht von Freien an der Kolyma, nicht von Häftlingen, die bewacht und bei den Appellen viermal am Tag gezählt wurden, sondern von freien Bürgern. Unter ihnen war der Hauptbuchhalter des Bergwerks, ein ehemaliger Häftling wie Rjabokon auch. Er war dabei. Vertragsarbeiter gab es in der Bande natürlich keine – die Vertragsarbeiter kommen wegen des schnellen Rubels –, sondern alles ehemalige
seki
. Letztere bekommen keine Zuschläge, und an ihren schnellen Rubel kommen sie mit bewaffneter Hand.
    Die vier Mörder plünderten auf der Tausendkilometer-Trasse, der zentralen Chaussee, ein ganzes Jahr. Ein Jahr lang trieben sie sich herum, plünderten Fahrzeuge und die Wohnungen in den Siedlungen. Sie beschafften sich einen Lastwagen, als Garage diente ein Talkessel.
    Rjabokon und seinen Freunden fiel das Morden leicht. Vor einer neuen Haftstrafe fürchtete

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