Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche
Fall der gelungenen Ausführung des Auftrags, ihn in die Gruppe aufzunehmen.
Von der Insel Guernsey zog die Gruppe auf den Kontinent und ließ sich in einem kleinen französischen Dörfchen fünf, sechs Kilometer von Dieppe nieder. Kirjuchin ist angereist. Jetzt sind wir sieben: Sawinkow und seine Frau, Klimowa, Fabrikant , Moissejenko , Kirjuchin und Tschernawskij. Kirjuchin verhält sich wie zuvor schlicht und ruhig. Keinerlei Lügen zu bemerken. Unser Leben ist langweilig. Die flache, trübsinnige Küste. Trübsinniges Herbstwetter. Am Tag sammeln wir am Ufer vom Meer ausgeworfenes Strandgut als Brennholz. Die Karten werden vernachlässigt seit der Zeit, als wir in Newquay saßen, das Schachspiel ist auch vergessen. Von den früheren Alltagsgesprächen keine Spur mehr. Selten werfen wir uns abgerissene Sätze zu, meistens schweigen wir. Jeder verfolgt die Tänze des Feuers im Kamin und verbindet damit seine traurigen Gedanken. Es scheint, wir machen alle die Erfahrung, dass die zehrendste aller Arbeiten ist – die Hände in den Schoß zu legen und nicht zu wissen, wie lange man warten muss.
Einmal schlug jemand vor: ›Lasst uns im Kamin Kartoffeln backen. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: 1) am Abend haben wir eine interessante Beschäftigung; 2) wir sparen am Abendessen.‹
Der Vorschlag wurde angenommen, aber die gesamte Intelligenz erwies sich als schlechte Bäcker, nur der Matrose (Kirjuchin) zeigte in dieser Hinsicht großes Talent. Ich entschuldige mich sehr, dass ich solchen Bagatellen so viel Aufmerksamkeit widme. Aber die Backkartoffeln kann ich nicht übergehen.
Es verging etwa ein Monat; also war wohl Dezember 1910. Wir alle langweilten uns, am meisten aber Kirjuchin. Er ging jetzt manchmal nach Dieppe, und einmal kam er angeheitert zurück. Am Abend setzte sich Kirjuchin an seinen Platz am Kamin und machte sich an seine gewohnte Sache. Am Feuer war er völlig aufgelöst: die Kartoffeln gehorchen ihm nicht, und selbst die eigenen Hände wollen ihm nicht gehorchen. Natascha Klimowa fängt an, ihn aufzuziehen:
›Offenbar haben Sie, Jakow Ipatytsch, irgendwo in Dieppe Ihr Können verloren … Heute, sehe ich, gelingt Ihnen nichts …‹
Es entspinnt sich eine Stichelei. Kirjuchin äußert immer öfter den vielsagenden Satz: ›Wir kennen euch.‹
›Gar nichts kennen Sie. Sagen Sie doch, was Sie wissen?‹. Kirjuchin geriet immer mehr in Wut:
›Sagen? Erinnern Sie sich, Sie, die Maximalisten, haben unter dem Vorwand eines Gelages in einem Nebenraum des Restaurants Palkin eine Beratung abgehalten! Damals saß im großen Saal des Restaurants der Vizedirektor der Polizeiabteilung. Erinnern Sie sich? Und nach der Beratung, erinnern Sie sich, wohin Sie gefahren sind – und nicht allein!‹, schloss er triumphierend.
Vor Erstaunen krochen Natascha die Augen auf die Stirn, fielen ihr fast die Augen aus dem Kopf. Sie nimmt Sawinkow beiseite und teilt ihm mit: Alles stimmt, unter dem Vorwand eines Gelages fand die Beratung im Nebenraum statt. Man sagte ihnen, dass sich im großen Saal der Vizedirektor der Abteilung befindet. Die Beratung wurde trotzdem abgeschlossen, und sie brachen wohlbehalten auf. Natascha fuhr zum Übernachten mit ihrem Mann in eine Herberge auf die Inseln.
Am nächsten Morgen wird Kirjuchin die Frage gestellt, woher er ein solches Wissen hat. Er antwortet, Fejt habe ihm das erzählt. Sawinkow fährt nach Paris, ruft Kirjuchin dorthin und kehrt bald allein zurück. Wie sich zeigte, hatte Fejt nichts gesagt und konnte nichts sagen, weil ihm die Fakten, um die es geht, unbekannt waren. Kirjuchin wurde wieder die Frage gestellt, woher er die angeführten Fakten kannte. Jetzt antwortete er, seine Frau habe sie ihm erzählt, und die habe sie von bekannten Gendarmen erfahren. Er wurde davongejagt.
Zurück in der Gruppe, stellte Sawinkow die Frage zur Abstimmung, ob wir das Recht haben, Kirjuchin zum Provokateur zu erklären. Die Antwort war einstimmig positiv. Es war beschlossen, dass wir uns an das ZK wenden und bitten, im Parteiorgan eine Erklärung zu Kirjuchin als Provokateur zu drucken. Als wir nach dem Sitzen in Newquay zu der Überzeugung gekommen waren, dass Rotmistr ein Provokateur ist, konnten wir uns trotzdem nicht entschließen, ihn zum Provokateur zu erklären, wir fanden, dass unsere Informationen nicht ausreichten für diesen Schritt. Darum beschränkten wir uns darauf, dem ZK seinen Ausschluss aus der Gruppe wegen des Verdachts auf Provokation mitzuteilen.
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