Erziehen ohne Frust und Traenen
entfernt sind, desto größer ist die Gefahr, dass Ihre Wut immer mehr eskaliert. Vielleicht lesen Sie ja in einem Buch über die kindliche Entwicklung nach, ob dieses oder jenes Verhalten für ein Kind in einem bestimmten Alter normal oder typisch ist. Sobald Sie die Situation von einer objektiveren Warte aus betrachten, werden Sie die aktuelle Schwierigkeit viel klarer erkennen und erste rationale Entscheidungen treffen – bevor Sie Ihr Kind zur Rede stellen. Indem Sie sich bemühen, die Situation objektiv zu betrachten, sind Sie auch besser in der Lage, Ihre langfristigen Erziehungsziele zu definieren – anstatt sich mit Tunnelblick auf kurzfristige Machtproben einzulassen.
Schritt 5: Definieren Sie, um was es wirklich geht
Jetzt ist es an der Zeit, das exakte Problem zu definieren. Nachdem Sie die Situation mit objektivem Blick betrachtet haben, können Sie sie mit exakten Worten beschreiben. Versuchen Sie, dies in ein oder zwei Sätzen zu tun. Verwenden Sie klare, einfache Worte, die den Punkt, der Ihren Ärger verursacht hat, unverblümt beschreiben.
Meist ist es nicht eine einzige, isolierte Aktion, die zu einem Wutausbruch führt. Selbst wenn Ihr Zorn einem typischen Irrglauben (wie in Teil 1 beschrieben) entspringt oder entsteht, weil Sie aufgrund von Stress, Schmerzen, Schlafmangel oder schlechter Laune besonders anfällig für Wutausbrüche sind, ist es doch wahrscheinlich, dass typisches und wiederholtes Verhalten Ihres Kinder, das von Ihren eigenen Vorstellungen abweicht, der Auslöser ist. Hätte Ihr Kind ruhig und friedlich am Küchentisch gemalt, wären Sie wahrscheinlich nicht explodiert. Mit anderen Worten: Selbst wenn Ihre Reaktion unangemessen ist, hat sie doch ihren Ursprung in einem bestimmten, existierenden Problem.
Versuchen Sie, die Situation exakt zu definieren. Beginnen Sie mit »Mein Problem ist, dass …«. Hier sind einige Beispiele:
»Mein Problem ist, dass sie in der Öffentlichkeit schlimme Trotzanfälle hat.«
»Mein Problem ist, dass er immer und immer widersprechen und freche Antworten geben muss.«
»Mein Problem ist, dass sie täglich ihr Kinderzimmer verwüstet und sich weigert, es aufzuräumen.«
»Mein Problem ist, dass er meine Bitten und Aufforderungen einfach ignoriert.«
»Mein Problem ist, dass sie nicht teilen können und sich ständig um Spielsachen streiten.«
»Mein Problem ist, dass sie müde und quengelig ist, aber sich weigert, einen Mittagsschlaf zu machen.«
Wenn es nicht an Ihrem Kind liegt
Und was, wenn Sie bei der Situationsanalyse (zu Ihrer großen Überraschung) feststellen, dass das Schlimme gar nicht das Verhalten Ihres Kindes war, sondern vielmehr Ihr eigener unangemessener Wutausbruch? Was, wenn Sie erkennen müssen, dass Ihre heftige Reaktion die Situation weit über die Maßen eskaliert hat? Was, wenn Sie in der Lage sind, das Geschehen ehrlich zu analysieren, und dabei feststellen, dass Ihr Zorn gar nichts mit Ihrem Kind zu tun hatte? Oder vielleicht nurein ganz klein wenig mit Ihrem Kind, hauptsächlich aber mit Ihnen selbst? Diese Erkenntnis ist für Eltern eine der schwierigsten.
Die beste Lösung lautet: Entschuldigen Sie sich – auch wenn es nicht der einfachste Weg ist. Aus verschiedenen Gründen ist dies oft eine sehr komplexe Situation. Häufig hat sich das Kind schlecht benommen und damit Ihre Wut ausgelöst. Obwohl Ihre Reaktion also unangemessen und überzogen war, war das Verhalten Ihres Kindes dennoch nicht in Ordnung. Hinzu kommt, dass viele Eltern meinen, durch ihre Entschuldigung das Kind von seinem Teil der Verantwortung für das unerfreuliche Geschehen zu entbinden. Und schließlich schämen sich viele Eltern, nach einem lauten Wutanfall mit gesenktem Kopf vor ihr Kind zu treten. Deshalb verteidigen sie ihren Ausbruch lieber – auch wenn sie wissen, dass sie im Unrecht sind.
Selbst wenn es schwer fällt: Manchmal ist es das Beste, seinen Fehler zuzugeben und sich bei seinem Kind zu entschuldigen. Eine Entschuldigung zur rechten Zeit ist auch für Ihr Kind eine wertvolle Lektion: Es zeigt ihm, dass niemand vor Fehlern gefeit ist. Und es zeigt ihm, dass eine Entschuldigung etwas Gutes ist.
Wenn auch Ihr Kind Mitschuld an dem Geschehen trägt, können Sie ihm erklären, dass trotz Ihrer unangemessenen Reaktion auch sein Verhalten nicht in Ordnung war. Aber machen Sie keine Gardinenpredigt daraus, und erwecken Sie nicht den Anschein, Ihr Kind sei verantwortlich für Ihr Handeln. Machen Sie stattdessen eine kleine Lehrstunde in
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