Es begann in einer Winternacht
Dämons in seinem erhitzten Gesicht, und er starrte sie an, ohne sie zu erkennen, während er unzusammenhängend und nicht immer verständlich vor sich hin stammelte, häufig dunkle Enthüllungen, die ihr Herz vor Mitleid schmerzen ließen.
„Still“, flüsterte sie ihm manchmal zu. „Still. Sebastian, du bist nicht …“ Doch er fuhr mit schrecklicher Verzweiflung fort. Seine gequälte Seele brachte immer mehr und mehr hervor, bis Evie es schließlich aufgab, ihn beruhigen zu wollen. Sie hielt nur seine Hand fest in der ihren, während sie seiner bitteren Litanei geduldig zuhörte. Niemals hätte er bei klarem Verstand erlaubt, dass irgendjemand auch nur einen kurzen Blick auf sein ungeschütztes Inneres werfen dürfte. Aber Evie wusste vielleicht besser als irgendein anderer Mensch, was es hieß, in verzweifelter Einsamkeit zu leben … sich nach einer Verbindung zu sehnen, nach Zusammengehörigkeit. Und sie verstand auch, in welche Abgründe ihn seine Einsamkeit getrieben hatte.
Nach einiger Zeit, als seine heisere Stimme zu einem rauen Flüstern geworden war, wechselte Evie sanft das kalte Tuch auf seiner Stirn und strich Salbe auf seine aufgesprungenen Lippen. Sie legte eine Hand auf sein Gesicht. Die goldenen Bartstoppeln kratzten an ihren Fingern. In seinem Delirium presste Sebastian seine Wange mit einem wortlosen Murmeln in ihre Hand. Schöne, sündige Kreatur. Einige würden sagen, dass es falsch war, Liebe für so einen Mann zu empfinden. Aber als Evie seine hilflose Gestalt ansah, wusste sie, dass kein Mann ihr je so viel bedeuten würde wie er … denn trotz allem war er bereit gewesen, sein Leben für sie zu geben.
Vorsichtig legte Evie sich neben ihn aufs Bett und fand die Kette, die auf seiner erhitzten Haut lag. Sie bedeckte den Ehering mit ihrer Hand und schlief für einige Stunden neben ihm.
Als der Tag kam, fand sie ihn vollkommen still vor, verloren in Bewusstlosigkeit. „Sebastian?“ Sie fühlte sein Gesicht und seinen Hals. Das Fieber brannte wie ein Höllenfeuer. Es schien immöglich, dass die menschliche Haut so heiß sein konnte. Sie sprang aus dem Bett, stolperte zum Klingelzug hinüber und zog heftig an ihm.
Mithilfe von Cam und den Hausmädchen bedeckte Evie das Bett mit einer wasserdichten Plane und legte mit Eis gefüllte Beutel aus Musselin um seinen Körper. Sebastian blieb während alledem still und regungslos liegen. Evie wagte kurz zu hoffen, als es schien, dass das Fieber nachlassen würde, doch schnell fing es wieder gnadenlos an zu steigen.
Cam, der neben seinen eigenen jetzt auch Sebastians Aufgaben im Club erfüllte, sah beinahe so erschöpft wie Evie aus. Noch immer in seiner Abendgarderobe, ein graues Halstuch offen um den Hals, trat er an die Seite des Bettes, an der Evie saß.
Bis jetzt hatte sie noch nie wirkliche Verzweiflung gefühlt. Selbst während der schlimmsten Zeit bei den Maybricks hatte sie immer Hoffnung verspürt. Aber wenn Sebastian nicht überlebte, das wusste sie, würde ihr nie wieder irgendetwas Freude bereiten.
Sebastian war der erste Mann, der ihr Gefängnis aus Schüchternheit durchbrochen hatte. Und von Anfang an hatte er sich um sie gekümmert wie noch niemand zuvor. Sie erinnerte sich an den ersten heißen Backstein, den er während ihrer Höllenfahrt nach Schottland an ihre Füße geschoben hatte, und lächelte trostlos. Sie sprach zu Cam, aber sie ließ das wächserne Gesicht ihres Ehemannes keine Sekunde aus den Augen. „Ich weiß nicht, was ich noch für ihn tun kann“, flüsterte sie. „Jeder Arzt, nach dem ich schicken kann, wird ihn zur Ader lassen wollen, und ich habe ihm versprochen, dass ich das nicht zulassen werde.“
Cam streckte eine schlanke Hand aus und strich die wilden Locken ihres zerzausten Haars zurück. „Mein Großmutter war eine Heilerin“, sagte er nachdenklich. „Ich erinnere mich, dass sie Wunden mit Salzwasser ausgespült und mit getrocknetem Torfmoos ausgepolstert hat. Und wenn ich Fieber hatte, hat sie mir die Wurzeln der Wimderblume zu kauen gegeben.“
„Wunderblume“, wiederholte Evie ausdruckslos. „Von der habe ich noch nie gehört.“
Er strich ihr eine Locke ihres Haares hinter ein Ohr. „Sie wächst im Moor.“
Evie drehte ihren Kopf von ihm weg. Ihr war ihr ungewaschener Zustand peinlich, insbesondere da sie wusste, wie wichtig Zigeunern persönliche Sauberkeit war. Entgegen dem verbreiteten Vorurteil gab es jede Menge Roma-Rituale, die mit Waschen und Reinigung zu tun hatten.
Weitere Kostenlose Bücher