Es begann in einer Winternacht
stand, in der Sebastian ausschließlich über Skandale und Affären geplaudert hatte – was meist eine herablassende Predigt Westcliffs nach sich gezogen hatte.
Die Kutsche hielt vor einer der neuen Häuserreihen mit kleinen gepflasterten Höfen dahinter. Alle Häuser hatten zwei Stockwerke und waren sehr schmal, keines breiter als gut zwölf Fuß. Eine alte und verbraucht aussehende Frau, wohl Hausmädchen und Köchin in einem, öffnete die Tür und trat mit einem leisen Grummein zur Seite, als sie ohne weitere Worte an ihr vorbei eintraten. Das Haus schien eines der fertig eingerichteten zu sein, die häufig an Männer der Mittelschicht vermietet wurden, die noch nicht verheiratet waren.
Da das ganze Haus nur aus drei Räumen und einer Kammer bestand, war es nicht schwierig, Egan zu finden. Der ehemalige Clubmanager saß in einem großen Sessel vor dem Kamin im Salon. Eine Sammlung von Flaschen füllte die Fensterbänke beider Fenster, und einige mehr standen am Kamin. Es stank durchdringend nach Alkohol und Urin. Mit dem glasigen Ausdruck des ewig Betrunkenen betrachtete Egan seine Besucher gelassen. Er sah genauso aus wie vor zwei Monaten, als Sebastian ihn entlassen hatte, aufgeschwemmt und ungepflegt, mit braunen Zähnen, einer großen roten Nase und einer geröteten Gesichtshaut, die von einem Netz von geplatzten Äderchen durchzogen wurde. Er hob ein Glas an die Lippen, nahm einen großen Schluck und grinste, während er sie aus wässrigen grauen Augen ansah.
„Ich hab gehört, dass sie Ihnen den Leib durchlöchert haben“, sagte er zu Sebastian. „Aber da Sie kein Geist zu sein scheinen, muss die Geschichte wohl falsch sein.“
„Oh, sie stimmt“, antwortete Sebastian mit eiskaltem Blick. „Aber der Teufel wollte mich nicht haben.“ Der Gedanke, Egan könnte für den Anschlag auf seine Frau verantwortlich sein, machte es ihm schwer, sich zu beherrschen. Am liebsten hätte er sich sofort auf den Bastard gestürzt. Allein die Tatsache, dass er Informationen hatte, die sie brauchten, hielt ihn zurück.
Egan ließ ein leises Lachen hören und gestikulierte in Richtung der Flaschen. „Schenken Sie sich ein, wenn Sie möchten. Ich krieg nicht häufig Besuch von solch hohen Herren.“
Westcliff sagte ruhig: „Nein, vielen Dank. Wir sind gekommen, um nach einem Ihrer früheren Besucher zu fragen.
Mr. Joss Bullard. Wo ist er?“
Egan nahm einen weiteren großen Schluck und sah ihn ausdruckslos an. „Woher, zum Teufel, soll ich das wissen?“
Westcliff zog die maßgefertigte Waffe aus der Tasche und hielt sie in der offenen Hand.
Die Augen des Betrunkenen traten hervor, und sein Gesicht war plötzlich puterrot. „Wo haben Sie die her?“, keuchte er.
„Bullard hat in jener Nacht mit ihr geschossen“, sagte Sebastian, dem die Wut jeden Nerv vibrieren ließ und der mit Mühe darum kämpfte, weiterhin die Kontrolle zu behalten. „Ich bezweifle zwar sehr, dass der missgebildete Klumpen, der zurzeit auf Ihren Schultern sitzt, etwas enthält, was auch nur annähernd einem funktionierenden Gehirn gleicht – doch selbst Sie sollten sich die Konsequenzen ausmalen können, wenn Sie in einen Mordversuch verwickelt sind. Freuen Sie sich schon auf einen ausgedehnten Besuch im Gefängnis? Das kann ohne Probleme arrangiert werden.“
„St. Vincent“, murmelte Westcliff in stiller Warnung, während Egan erstickte Laute von sich gab.
„Er muss sie mir gestohlen haben!“, rief Egan. Die klare Flüssigkeit aus seinem Glas schwappte auf den Boden.
„Der diebische kleine Bastard … Ich wusste nicht, dass er sie genommen hat. Ich sage Ihnen, es ist nicht meine Schuld! Ich will nur meine Ruhe haben. Verdammt soll er sein!“
„Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?“
„Vielleicht vor drei Wochen.“ Egan kippte seinen Drink herunter, griff sich eine Flasche vom Boden und trank aus ihr wie ein verhungerndes Baby. „Er ist immer mal gekommen und ein paar Nächte geblieben, nachdem er Jenner’s verlassen hatte. Er konnte nirgendwo anders hin. Sie haben ihn nicht mal ins Obdachlosenasyl gelassen, nachdem man ihm die Seuche ansehen konnte.“
Sebastian und Westcliff tauschten einen schnellen Blick. „Seuche?“, fragte Sebastian misstrauisch, denn damit konnten viele Krankheiten gemeint sein. „Welche?“
Egan warf ihm einen verächtlichen Blick zu. „Die Syphilis.
Die Seuche, die zum Wahnsinn führt. Schon bevor er Jenner’s verlassen hat, konnte man die Zeichen sehen … die langsame
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