Es begann in einer Winternacht
ihre Lippen. „Er hat gesagt, dass sie ihm durch die Hintertür in den Himmel helfen würde.“
Sebastian brachte sie in ihr Schlafzimmer. Evie sank aufs Bett, hielt sich das Taschentuch an die Nase und rollte sich auf der Seite zusammen. So hatte sie noch nie geweint, ganz ohne Schluchzen, einfach tiefes Leid, das aus ihrem Hals drang, während der Druck der Trauer auf ihrer Brust nicht nachlassen wollte. Sie nahm am Rande wahr, dass die Vorhänge zugezogen wurden und dass Sebastian ein Hausmädchen nach etwas Wein und einem Krug kaltem Wasser schickte.
Wenn Sebastian auch im Zimmer blieb, kam er doch nicht näher, ging nur einige Minuten im Raum auf und ab und setzte sich schließlich auf einen Stuhl am Bett. Es war offensichtlich, dass er Evie nicht im Arm halten wollte, während sie weinte, dass er vor der neuen Vertrautheit, die das bedeuten würde, zurückschreckte. Sie konnte sich ihm in Leidenschaft hingeben, aber nicht im Schmerz. Und doch war es offensichtlich, dass er nicht vorhatte, sie allein zu lassen.
Nachdem das Hausmädchen den Wein gebracht hatte, stopfte Sebastian Evie die Kissen hinter den Rücken und gab ihr ein hoch gefülltes Glas. Während sie trank, nahm er einen kalten feuchten Waschlappen und presste ihn sanft gegen ihre geschwollenen Augen. Sein Verhalten war liebevoll und seltsam vorsichtig, als würde er sich um ein kleines Kind kümmern.
„Die Angestellten“, murmelte Evie nach einer Weile. „Der Club. Die Beerdigung …“
„Ich werde mich um alles kümmern“, sagte Sebastian ruhig. „Wir schließen den Club. Ich arrangiere dann die Beerdigung. Soll ich nach einer von deinen Freundinnen schicken lassen?“
Evie schüttelte sofort den Kopf. „Das würde sie nur in eine schwierige Position bringen. Und ich möchte im Moment auch mit niemandem sprechen.“
„Ich verstehe.“
Sebastian blieb bei ihr, bis sie das zweite Glas Wein geleert hatte. Evie wurde bewusst, dass er auf irgendeine Art Zeichen von ihr zu warten schien, und stellte das leere Glas auf den Nachttisch. Ihre Zunge fühlte sich schwer an, als sie sprach. „Ich denke, ich kann jetzt schlafen. Du musst nicht weiter bei mir bleiben. Es gibt so viel, was getan werden muss.“
Einen Moment lang betrachtete er sie aufmerksam und stand dann vom Stuhl auf. „Schick nach mir, wenn du aufwachst.“
Evie lag angetrunken, schläfrig und allein im Halbdunkel und fragte sich, warum die Leute immer sagten, dass der Tod einer geliebten Person einfacher war, wenn man Zeit hatte, sich darauf vorzubereiten. Dies schien nicht einfach. Und dieselben Leute hätten hinzugefügt, ihr Schmerz könnte gar nicht so groß sein, da sie ihren Vater nie wirklich gekannt hatte. Dabei machte es das irgendwie sogar noch schlimmer. Es gab nur so wenige Erinnerungen, mit denen sie sich trösten konnte … so wenig Zeit, die sie miteinander verbracht hatten. Zu ihrer Trauer gesellte sich ein Gefühl, dass ihr etwas entgangen war, das sie nun nie mehr nachholen konnte … und außerdem verspürte sie sogar eine Spur von Wut. War sie der Liebe so unwürdig, dass sie so wenig davon in ihrem Leben erfahren hatte? Fehlte ihr irgendeine wichtige Gabe, andere für sich einzunehmen?
Evie wusste, wie gefährlich nah ihre Gedanken an Selbstmitleid herankamen. Sie schloss die Augen und konnte ein zittriges Seufzen nicht zurückhalten.
Als Cam Ivo Jenners Räume verließ, traf er im Korridor auf St. Vincent. Der Gesichtsausdruck des blonden Mannes war finster, und in seiner Stimme schwang ein Hauch eiskalter Arroganz. „Wenn meine Frau Trost in abgedroschenen Zigeunerweisheiten findet, habe ich nichts dagegen, wenn Sie sie ihr anbieten. Aber wenn Sie sie noch einmal küssen, egal wie platonisch, werde ich Sie entmannen.“
Die Tatsache, dass St. Vincent kleinliche Eifersucht empfand, wenn Ivo Jenner noch nicht einmal kalt in seinem Bett lag, hätte andere Männer vielleicht empört. Cam betrachtete den Viscount jedoch mit nachdenklichem Interesse.
Um den anderen Mann zu testen, wog Cam seine Antwort erst genau ab, bevor er sanft erwiderte: „Wenn ich sie auf diese Weise hätte haben wollen, wäre das schon längst geschehen.“
Da war es – das Aufblitzen einer Warnung in St. Vincents eisblauen Augen, die eine Tiefe an Gefühl verrieten, die er niemals zugeben würde. So etwas wie die stumme Sehnsucht, die St. Vincent für seine eigene Frau empfand, hatte Cam noch nie gesehen. Es konnte niemandem entgehen, dass St. Vincent praktisch
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