Es begann in einer Winternacht
selbst. Wenn er sie irgendwie schützen könnte und sie nur wenig sehen würde … das war die einzig richtige Lösung.
„Ich will, dass du gehst“, sagte er. „Im Haus ist alles für dich hergerichtet. Es wird dort viel angenehmer für dich sein. Und dann muss ich mir keine Sorgen mehr machen, in was für Ärger du hier verwickelt werden könntest.“ Er stand auf und ging zur Tür hinüber, wobei er darauf achtete, stets die nötige Distanz zwischen ihnen zu wahren.
„Ich werde nach einer Kutsche schicken. Ich will, dass du in einer Viertelstunde darin sitzt.“
„Ich habe noch nicht zu Abend gegessen. Ist es zu viel verlangt, dass ich eine letzte Mahlzeit zu mir nehmen kann?“
Auch wenn Sebastian sie nicht ansah, hörte er doch die Note schmerzlicher Enttäuschung in ihrer Stimme, und es sandte einen Stich durch sein Herz … ein Herz, das er immer für nicht mehr als einen effizienten Muskel gehalten hatte.
Hinterher konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob er vorgehabt hatte, ihr zu erlauben, zum Abendessen zu bleiben, oder nicht, denn in diesem Moment sah er, wie Cam sich dem Büro näherte … begleitet von der unverkennbaren Gestalt des Earl of Westcliff. Sebastian wandte sich zur Seite und strich sich durchs Haar. „Oh, verdammt“, murmelte er.
Evie trat sofort an seine Seite. „Was ist los?“
Sebastian setzte ein ungerührtes Gesicht auf. „Du gehst jetzt besser“, sagte er grimmig. „Westcliff ist hier.“
„Ich werde nirgendwo hingehen“ sagte sie sofort. „Westcliff ist zu sehr Gentleman, um vor einer Frau einen Kampf anzufangen.“
Sebastian lachte verächtlich. „Ich brauche mich nicht hinter deinen Röcken zu verstecken, Kleines. Und ich bezweifle, dass er hier ist, um einen Kampf anzuzetteln – all das wurde in der Nacht, in der ich Miss Bowman entführte, geregelt.“
„Was will er dann?“
„Entweder eine Warnung aussprechen oder nachsehen, ob du gerettet werden musst. Oder beides.“
Evie blieb an seiner Seite, als Westcliff das Zimmer betrat.
Cam war der Erste, der sprach. „Mylord“, sagte er zu Sebastian, „ich hatte den Earl gebeten zu warten, aber er …“
„Niemand sagt Westcliff, was er zu tun hat“, sagte Sebastian trocken. „Es ist in Ordnung, Cam. Gehen Sie zurück zu den Hazardtischen, oder dort wird Chaos ausbrechen. Und nehmen Sie Lady St. Vincent mit.“
„Nein“, sagte Evie sofort, deren besorgter Blick von Sebastians spöttischem Gesicht zu Westcliffs granithartem wanderte. „Ich bleibe hier.“ Sie wandte sich Lord Westcliff zu und gab ihm die Hand. „Mylord, ich habe so häufig an Lillian gedacht… ich hoffe, es geht ihr gut?“
Westcliff beugte sich über ihre Hand und sagte mit seiner unverwechselbaren rauen Stimme: „Sehr gut. Es ist ihr Wunsch, dass Sie zu uns kommen sollen, wenn Sie das gerne möchten.“
Selbst wenn Sebastian sie noch vor wenigen Minuten dazu zwingen wollte, den Club zu verlassen, ergriff ihn jetzt eine plötzliche Wut. Der arrogante Bastard. Wenn er dachte, er könnte herkommen und ihm Evie unter der Nase wegschnappen …
„Danke, Mylord“, antwortete Evie sanft, während sie in Westcliffs kühn geschnittenes Gesicht blickte. Er hatte schwarze Haare, und seine Augen waren so dunkel, dass es unmöglich war, die Iris von den Pupillen zu unterscheiden. „Sie sind sehr freundlich. Und ich möchte sehr gerne schon bald zu Besuch kommen. Aber Ihre Gastfreundschaft brauche ich zu diesem Zeitpunkt nicht.“
„Also gut. Das Angebot bleibt bestehen. Erlauben Sie mir, Ihnen mein Beileid zu Ihrem kürzlichen Verlust auszusprechen.“
„Danke.“ Sie lächelte Westcliff an, wie Sebastian mit einem Stich von Eifersucht bemerkte.
Als Träger eines der ältesten und einflussreichsten Titel Englands hatte Marcus, Lord Westcliff, die Aura eines Mannes, der es gewohnt war, dass man sich seine Meinung anhörte und sie befolgte. Auch wenn er nicht auf herkömmliche Art gut aussah, besaß Westcliff doch eine dunkle Vitalität und Männlichkeit, die ihn aus jeder Menge hervorhob. Er war ein Sportsmann und ein exzellenter Reiter, bekannt dafür, dass er bis an seine Grenzen ging und darüber hinaus. Das galt auch für alle anderen Bereiche in seinem Leben, und er erwartete von sich bei allem, was er tat, stets nur das Beste.
Seit ihrem zehnten Lebensjahr waren Westcliff und Sebastian Freunde gewesen und hatten ihre prägenden Jahre zusammen im Internat verbracht. Selbst als sie noch Jungen waren, war ihre
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