Es bleibt natürlich unter uns
die Kehle immer schön feucht gehalten hatten, entsann sie sich einer Kur, die ihre Mutter einmal vor langen Jahren mit Erfolg bei ihrem Bruder Ferdl angewendet hatte. So fragte sie denn ihren Franzi ganz sanft und liebreich jeden Morgen: „Gel, Franzi, schön war’s gestern abend? Wunderbar hast du gesungen, als du heimgekommen bist. Und es war sicherlich eine recht lustige Gesellschaft, mit der du gefeiert hast, nicht wahr? Und ein bissel was werdet ihr ja auch getrunken haben, wie? Also wieviel Maß waren es denn, die du gestern gezwitschert hast?“ — Und je nachdem antwortete ihr Sohn freimütig, wahrheitsgemäß und ohne Arg, daß es zwölf oder sechzehn oder einundzwanzig halbe Liter waren, die er hinter die Binde geschüttet hatte. Und genau das Quantum, das er angab, füllte die Alte täglich in das große Holzschaff, das hinten im Hofraum in der Waschküche stand. Drei Wochen später führte sie ihren Sohn vor das schwappvolle Schaff und sagte: „Schau mal her, Franzi, graust es dir nicht vor dir selber, wenn ich dir nun sage, daß du genau diese Menge Bier in genau drei kurzen Wochen in dich hineingeschüttet hast, durch den Darm, durch den Magen, durch die Leber, durch die Nieren, durch die Blase...“ — Aber ihrem Sohn Franz grauste es durchaus nicht, im Gegenteil, er schaute die Wassermenge bewundernd an und sagte nur: „Respekt vorm Dampfschiff!“ Und hinterher führte er seine Spezln vor das Schaff, erklärte ihnen die Geschichte und alle, wie sie dastanden, klopften dem Franzi auf die Schulter und murmelten ehrfürchtig: „Respekt...!“
Und dann kam das Preiskegeln in Heiligblut. Herr Knell war ein Meister im Kegelschieben. Wenn er den letzten Schub nicht versaut hätte, wäre ihm der erste Preis gewiß gewesen, aber gerade bei der Entscheidung blieb er mit dem kleinen Finger am Hosenaufschlag hängen. So langte es nur zum zweiten Preis, einem versilberten Aschenbecher. Die sechs Halben, mit denen er während des Turniers den Staub der Kegelbahn heruntergespült hatte, bedeuteten für ihn überhaupt nichts. Auch die acht Halben, die er nach der Preis Verteilung in der Fidelitas hinter die Binde goß, hätten ihn nie umgeworfen. Aber dann ging es mit dem Ausknobeln von Schnäpsen los. und nach dem siebenten großen Kirsch entsann er sich der nachfolgenden Ereignisse nur noch schleierhaft.
Eigentlich wollte er nur einmal auf den Hof vom ,Goldenen Stern’ hinausgehen, um ein bißchen frische Luft zu schöpfen und sich der vielen Flüssigkeiten zu entledigen. Weshalb er sich plötzlich auf der Straße nach Aldenberg und ohne Hut und ohne Mantel auf dem Heimweg befand, wußte er später nicht mehr zu sagen. Es war eine mondlose Nacht. Der Wind pfiff schon kühl und herbstlich über die umbrochenen Äcker. Da ihm die Füße aus Blei und die Knie aus Wachs zu sein schienen, wollte Herr Knell so rasch wie möglich ins Bett kommen und entschloß sich, den Weg nach Aldenberg ein wenig abzukürzen, denn die Straße machte einen weiten Bogen. Und bei dieser nächtlichen Wanderung über die Wiesen geschah es, daß sich die Drohung des Benefiziaten Salvenmoser am Knell Franzi schrecklich erfüllte. — Er wurde vom Teufel geholt. Bei dem Versuch nämlich, einen Zaun zu übersteigen, der sich ihm hindernd in den Weg stellte, blieb er mit der Hose an einem Nagel hängen und stürzte vornüber. Alles weitere geschah in Sekunden. Er stürzte also, fiel auf etwas Weiches, tappte leicht benommen umher, fand zwei bügelartige Handgriffe, wollte sich an ihnen aufrichten, hörte im gleichen Augenblick ein zorniges, satanisches Gebrüll und spürte, wie er plötzlich durch die Luft gewirbelt wurde. Er hielt sich jedoch krampfhaft an den Handgriffen fest und wußte, während es unter ihm und mit ihm fort und dahinging wie die wilde Jagd, daß das Ziel dieser Fahrt nur die Hölle sein konnte. Vierzehn halbe Liter Bier, sieben doppelstöckige Kirschwasser und der Todesschreck vernebelten seine Überlegung, daß der Teufel, um seine Opfer zu holen, sich im allgemeinen nicht solch gewaltsamer Methoden bedient.
Erst, als er nach zwei Tagen im Kreiskrankenhaus mit gebrochenem Schlüsselbein, verrenktem Fuß, ausgekugelter Schulter, einem mächtigen Bluterguß am Knie und Prellungen überall aus der schweren Gehirnerschütterung erwachte und zu sich kam, begann er, die Geschehnisse zu rekonstruieren. Und kam dabei zu der bündigen und sehr irdischen Erklärung, die inzwischen auch anderen Leuten in Aldenberg auf
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