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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unmöglich war, daß sich ein Agent wie Aronow nur der Felixowna widmete, war er viel unterwegs, um seine anderen Schützlinge unterzubringen. Er vertrat vier Tenöre, drei Baritone, drei Bassisten, sechs Sopranistinnen, einen Mezzosopran und zwei Altistinnen sowie drei Soubretten; ferner vom Ballett vier Tänzer und zwei Tänzerinnen, die zwar auch berühmt waren, aber an Matildas strahlenden Stern nicht heranreichten.
    Am meisten litt Aronow unter den Tenören. Waren schon die Sängerinnen schwierig und mit Allüren behaftet, so stellten die Tenöre alles in den Schatten. Chamitja Maximowitsch klagte lange Balladen von diesen ›Künstlern‹ und pflegte zu sagen:
    »Wem der Himmel eine göttliche Stimme schenkt, dem stiehlt er gleichzeitig das Hirn! Diese Tenöre! Da ist Batista Capucci – dick wie ein Faß, zwei Meter groß! Aber er singt aus dem Stand ein hohes C, daß die Kulissen schwanken! Und was will er? Er will unbedingt den Siegmund in der Walküre singen! Diesen jugendlichen Helden – mit drei Zentnern Fleisch, ohne Knochen! Und warum will er das? Weil er im ersten Akt am Schluß die Eugenia Labroche, die die Sieglinde singt, küssen muß und mit ihr – in der Oper doch nur natürlich! – ein Kind zeugt! Den strammen Siegfried! Die Labroche ist eine herrliche Frau, glücklich verheiratet, da kann keiner landen, schon gar nicht ein Kollege. Und dieser Capucci ist wild nach ihr, nachdem sie zusammen Othello gesungen haben und sie im Nachthemd vor ihm lag, um sich von ihm erwürgen zu lassen. Doch kaum fiel der Vorhang – aus der Traum! Die Labroche sagt zu Capucci: ›Gehn Sie weg, Sie schwitzen ja!‹ Ich frage euch: Welcher Tenor schwitzt nicht als Othello, schwarz angemalt und beim Anblick der Labroche? Was also kommt nun auf mich zu? Capucci verlangt von mir, daß ich ihn nach Rom vermittle, wo er den Siegmund mit der Labroche singen will! Nur wegen der Szene, wo er sie an sich reißen darf! Mit drei Zentnern den Siegmund … Ich blamiere mich doch!«
    Batista Capucci war nicht der einzige Tenor, der Chamitja Maximowitsch die Nerven raubte. Ein anderer verlangte überall, wo er auftrat, das Gurgelwasser Menthoflor, gemischt mit dem Saft einer frischen Ananas. Damit gurgelte er vor jedem Auftritt und schluckte das Gemisch dann hinunter. Fehlte Menthoflor mit Ananas, so gab es Tragödien auf der Bühne. Der Tenor verlor die Stimme und verlangte nach einem Strick, um sich aufzuhängen …
    »Mein Leben ist furchtbar«, sagte Aronow einmal, als er aus Paris nach Stockholm zurückkam. »Aber herrlich schön! Ich habe es geschafft, daß Tino Mandula in der Großen Oper den Troubadour singt! Ein Triumph, sage ich euch! Und was tut Tino? Er tritt, kaum daß der Vorhang fällt, dem Sänger des Grafen Luna, dem herrlichen Piero d'Angelo, gegen das Schienbein und zischt: ›Du hast deinen Schlußton einen Moment länger gehalten als ich!‹ Stellt euch vor, die Kerle haben sich geprügelt – jedesmal, wenn der Vorhang zuging! Aber schön war es doch …«
    Matilda lebte in diesen Monaten sehr zurückgezogen in ihrer weißen Villa am Meer. Boris hatte sie Reiten gelehrt, und nun nutzten sie jede Freizeit aus, um an der Küste entlangzureiten, durch lichte Wälder, sandige Hügel und an flachen Seen vorbei.
    Ein paarmal schrieb Mustin und berichtete aus St. Petersburg. Es gab Neuigkeiten, aber nie aus der Umgebung des Zaren.
    Rosalia Antonowna, die ja des Schreibens unkundig war, erzählte alles über den Umweg Mustin, was sie erlebte. Der Polizeipräsident selbst sei gekommen, um sich für die diskrete Abreise Matildas zu bedanken, was sie zum Anlaß genommen habe, den Präsidenten aus dem Stroitskypalast zu werfen.
    »Es war schrecklich«, schrieb Mustin, was ja die Bondarewa nicht lesen konnte. »Ich glaube, nun ist der Polizeipräsident im vollen Besitz aller Worte, die man auf den Märkten spricht! So eine Fülle! Solch eine Wonne von Flüchen! Wie phantasievoll ist doch die russische Sprache! Rosalia Antonowna ist als Original in ganz Petersburg bekannt, obgleich sie natürlich niemand zu einer Soiree einlädt. Wer wagte das auch? Sie würde jeden Salon sprengen mit ihren donnernden Wahrheiten! Ich muß sie bewundern. Nicht ich bin der Narr, sondern sie. Sie sagt den Menschen, was und wie sie sind … und das ist doch wohl die größte Narretei!«
    Matilda Felixowna tanzte in diesem Jahr 1895 in Rom und in Wien, in London und in Berlin, in Monte Carlo und in Dresden.
    Der Sächsische König empfing sie

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